Koalitionsverhandlungen in Bremen: Wie rot wird Rot-Grün-Rot?

In Bremen könnte sich erstmals im Westen die Linkspartei an einer Koalition beteiligen. Die VerhandlerInnen haben nun Zwischenbilanz gezogen.

Ein Mann und zwei Frauen stehen vor einem Gebäude, vor ihnen Mikrofone

Carsten Sieling (SPD), Maike Schaefer (M., Bündnis90/Die Grünen) und Kristina Vogt (Die Linke) Foto: dpa

BREMEN taz | Rot-Grün-Rot – wie geht das im Westen? Das ist die Brille, durch die bundesweite Aufmerksamkeit entstanden ist für die ersten Koalitionsverhandlungen in dieser Konstellation, die derzeit in Bremen geführt werden. Am Dienstagabend haben die VerhandlerInnen von SPD, Grünen und Linkspartei erstmals über den Stand ihrer Koalitionsverhandlungen berichtet – und nach einer halbe Stunde lang Nachfragen abgewehrt mit dem Hinweis, sie hätten noch wichtige Themen auf ihrer Tagesordnung.

Zwar ging es bei den Verhandlungen nicht um die Finanzierbarkeit, aber so viel ist schon deutlich geworden: Dass die Linke wird sich von ihrer jahrelangen Polemik gegen die „Schuldenbremse“ verabschieden, um mitzuregieren. Zwischen Rot-Grün und Rot-Grün-Rot wird es ein großes Maß an Kontinuität geben. Für das hoch verschuldete Bundesland läuft gerade eine Phase von 12 Jahren Sanierung der Staatsfinanzen unter dem Druck des Bundes und der anderen Länder aus.

Die größte Summe, die jetzt für die nächsten vier Jahre zur Diskussion stand, war eine 180 Millionen Euro schwere Rücklage für den Bau eines Offshore-Windenergieterminals in Bremerhaven (OTB). Die Gerichte hatten auf die Klage des Naturschutz-Bundes hin das Projekt auf Eis gelegt, weil nach Ansicht der Richter der geringe nachgewiesene Bedarf die Eingriffe in die Natur nicht rechtfertigen könne. Mit Siemens hat die Offshore-Wirtschaft sich inzwischen ohnehin nach Cuxhaven orientiert.

Für die Bremer Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) waren diese 180 Millionen immer eine heimliche Spardose. Nun soll sie geöffnet werden für andere Investitionsvorhaben in Bremerhaven: Für verbliebenen Offshore-Firmen soll ein anderes Terminal hergerichtet werden. Und ökologisch profilierte Wirtschaftsförderung soll finanziert werden. Ganz aufgeben will die Bremer SPD die Idee nicht – so viel Wahrheit wollte sie den Bremerhavener Genossen nicht zumuten und es könnte ja auch sein, dass die Bundesregierung irgendwann ihre Ausbauziele für die Offshore-Energie wieder nach oben setzt und dadurch größerer Hafen-Bedarf entsteht.

Radverkehr soll gefördert werden

Bei der Verkehrspolitik setzen die Koalitionäre ebenfalls auf Kontinuität – „Autofreie Innenstadt 2030“ ist die Parole, unter sich alle einigen konnten. Bis dahin ist noch viel Zeit, man will aber einige Maßnahmen in diese Perspektive stellen. Die seit Jahren nicht ausgelastete teilweise vierspurige Martinistraße, die die Innenstadt von der Weser abschneidet, soll „zurückgebaut“ werden, das ist keine neue Idee.

Auch die Ankündigung der Schließung des Autobahnringes ist nicht neu. Weiter gefördert werden soll der Radverkehrs: War die Überquerung der Weser, die Bremen in zwei Teile trennt, bisher nur auf Autostraßen möglich, sollen drei Weser-Radbrücken entstehen. Zudem sollen ampelfreie „Premium-Routen“ für die schnellen Radfahrer eingerichtet werden.

Das größere Gewicht der Grünen in der Koalition wird bei diesem Programm vielleicht mehr Umsetzungsdruck machen. Eine Förderung der E-Roller, die in Zukunft die Innenstädte vom Autoverkehr zu entlasten versprechen, waren nicht Thema bei den Verhandlungen – der ausgeschiedene grüne Senator Joachim Lohse (Grüne) hatte in der bundesweiten Diskussion zu den Bedenkenträgern gegenüber diesem neuen Mobilitäts-Angebot gehört.

Keine neuen Polizeigesetze

Das Thema Bildung haben die neuen Koalitionäre erst Ende der Woche auf der Tagesordnung, bei der Polizei haben sie sich schon festgelegt: Aufstockung der Zahl der Polizeibeamten, aber keine neuen Befugnisse in Polizeigesetzen. In einem Versammlungsfreiheitgesetz sollen die neuen kommunalen Kompetenzen gestaltet werden. Mehr Kontaktbereichsbeamte sollen das Sicherheitsgefühl in den Stadtteilen stärken.

Ein Anliegen der Linken, mit dem die Linkspartei sich profilieren kann, das die SPD aber gern erfüllt, waren arbeitsmarktpolitischen Initiativen, bei denen sich die Koalitionäre auf „Prüfaufträge“ geeinigt haben: Die Integration von Alleinerziehenden in den Arbeitsmarkt soll gefördert, die Gleichheit des Lohnes für Frauen tarifpolitisch gestärkt werden. Mit einer „Ausbildungsumlage“ könnten Betriebe motiviert werden, Azubis einzustellen, die aufgrund mangelnder Qualifikation oder Deutsch-Kenntnisse schlechte Chancen auf einen Ausbildungsplatz haben.

Ein kleines Bonbon gibt es für alle: Der Öffentliche Nahverkehr soll die Preise familien- und jugendfreundlicher gestalten, Schüler sollen nur noch 25 Euro für das Monats-Ticket bezahlen. Aus der Forderung der Linken, den ÖPNV kostenlos zu machen, wurde nur ein „Prüfauftrag“.

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