Neulinge unter Stress

Unter den 33 Tour-Novizen sind auch die Radprofis Maximilian Schachmann und Lennard Kämna. Der eine weiß schon, was er kann, der andere noch nicht

Hingabe des jungen Fans: Ein Kind bettelt Maximilian Schachmann um ein Autogramm an Foto: imago

Aus Nancy Tom Mustroph

Gleich 33 Neulinge gibt es im Feld der 176 Tour-Fahrer. Ein paar sind dabei, die mehr sollen als lediglich lernen, wie das wichtigste Rennen im Straßenradsport so funktioniert. Der Berliner Maximilian Schachmann ist einer von ihnen. Der Etappensieger bei der Baskenland- und Katalonienrundfahrt sowie Podiumsplatzierte bei Lüttich-Bastogne-Lüttich in diesem Jahr war auf der 3. Etappe der Tour de France ganz frech in der Verfolgergruppe, die den späteren Etappensieger Julian Alaphilippe noch zu stellen versuchte.

„Eigentlich wollte ich ja schon bei Alaphilippes Antritt selbst folgen, der war aber einfach zu stark. Also bin ich dann in der zweiten Welle mitgegangen“, erzählte Schachmann im Ziel. Der Bora-hansgrohe-Profi war da in einem seiner gleich drei Aufgabenfelder unterwegs. „Ich wollte mit der Attacke etwas Druck von Peter Sagan nehmen“, erzählte er. Einer seiner drei Jobs ist es nämlich, dem sechsmaligen Träger des Grünen Trikots bei der Tour de France zum siebten Gewinn der Punktwertung zu verhelfen, und auch noch dafür zu sorgen, dass der Tscheche den einen oder anderen Etappensieg holt.

„Immer, wenn ich dachte, jetzt geht’s,kam ein Rückschlag“

Lennard Kämna über seine Form

Den Etappensieg verpasste Sagan am Montag noch. Aber wenigstens Grün holte er. Und Schachmann war zumindest halb zufrieden. Denn sehr gern, so schien es zumindest, hätte er den Helfer-Job für den prominenten Teamkollegen mit dem zweiten seiner drei Aufgabenfelder verbunden: selbst einen Tagessieg zu holen. Aber Schachmann war nur als Aufpasser bei der Gruppe. „Die sportlichen Leiter haben entschieden, dass wir auf dieser Etappe für Peter fahren. Ich habe in der Gruppe dann auch nicht mitgearbeitet“, sagte er. Ganz glücklich wirkte er nicht, die Freigabe nicht erhalten zu haben. Die dritte Aufgabe des 25-Jährigen ist es, die Bergkapitäne seines Teams, Emanuel Buchmann und Patrick Konrad, zu unterstützen. „Am liebsten natürlich bis auf den letzten Gipfel hinauf“, sagte er der taz.

Eine ähnliche Aufgabenvielfalt, nur nicht ganz auf dem Niveau des deutschen Meisters Schachmann, hat der zweite deutsche Debütant, Lennard Kämna, zu bewältigen. „Ich soll unseren Sprinter Michael Matthews in eine gute Position beim Sprint bringen“, sagt der blonde Bremer. Matthews ist der einzige ernsthafte Konkurrent Sagans beim Kampf ums Grüne Trikot. Ihr Kampf ist also auch ein Duell helfender deutscher Rundfahrttalente, denn Kämna hat, wie auch Schachmann, durchaus das Zeug zum Rundfahrer. In den Bergen will der erst 22-jährige Sunweb-Profi dann auch glänzen. Mangels eines Kapitäns fürs Gesamtklassement – sein nomineller Chef, Tom Dumoulin, fehlt verletzungsbedingt – hat er da größere Freiheiten. „Meine Aufgabe ist es, in die eine oder andere Fluchtgruppe zu gehen und einem Teamkollegen zu helfen, ein gutes Resultat einzufahren oder selbst ein gutes Resultat zu holen“, erklärt Kämna.

Ein gutes Etappenergebnis aus einer Fluchtgruppe heraus wäre eine Riesensache für den jungen Sportler. Die letzte Saison hatte er vor allem mit Krankheiten zu tun und wurde in seiner Entwicklung mächtig zurückgeworfen. „Ich bin da von Arzt zu Arzt gelaufen, denn ich war viel krank. Und immer, wenn ich dachte, jetzt geht es und mich erneut belastete, kam ein Rückschlag“, blickt er zurück. „Deshalb musste ich irgendwann den Stecker ziehen und eine Pause machen, um mich mental und physisch zu resetten.“ Das Team hielt dem Talent dabei die Treue, was Kämna zu schätzen weiß. Von einer besseren Basis aus will er jetzt bei seiner ersten Tour überzeugen. „Ob später einmal ein Rundfahrer für drei Wochen aus mir wird, wird sich zeigen. Momentan peile ich erst einmal an, mich kontinuierlich zu entwickeln und bei den kleineren Rundfahrten stabile Ergebnisse einzufahren“, sagte er.

Maximilian Schachmann Foto: dpa

Schachmann ist da schon weiter. Bei kleineren Rundfahrten trumpfte er auf. Bei den Klassikern allerdings auch – was zu einem Luxusproblem führt. Soll er das eine lassen, um besser bei dem anderen zu werden? Schachmann zögert. „Es wäre schade, wenn ich, weil ich mich auf die Rundfahrten fokussiere, die Fähigkeiten bei den Klassikern verlieren würde.“

Entscheidend für die Zukunftsplanung ist auch, wie er bei dieser Tour de France durchkommt. Verkraftet sein Körper die drei Wochen ohne Rückschlag? Erholt er sich auch am Ende gut, kann der Berliner sogar Grand Tours als Klassementfahrer anpeilen. Mindestens bis Ende Juli muss man mit einer solchen Entscheidung aber warten – trotz des Meistertrikots, in dem er fährt und das die älteren Radsportzuschauer an einen gewissen Jan Ullrich erinnert. Der tauschte 1997 das Meisterleibchen sogar gegen das Gelbe ein. Ferne Zeiten, ferne Triumphe.