Liebe, die sich falsch anfühlt

Die israelische Sängerin Illay beim Mash-Up – Multigender / Multiworld in der Raumerweiterungshalle. Die Einnahmen des Abends gingen an die Gruppe International Women Space,die sich gegen Gewalt einsetzt

Von Annina Bachmeier

Wenn man samstagnachts, vom Ostkreuz kommend, den Markgrafendamm runtergeht, erreicht man nach ein paar Schritten einen hohen Holzlattenzaun, der von der hell erleuchteten Straße in eine dunkle Gasse führt. Folgt man dem Zaun weiter, kommt man an einen hinter dunklen Vorhangfransen versteckten Eingang, aus dem Musik zu hören ist. Innen, im Hof der Raumerweiterungshalle, ist es plötzlich wieder hell und voller Menschen. Links brennt ein kleines Feuer, die vom Regen feuchte Luft ist schwer, und es riecht nach Rauch. Heute Abend findet eine Party von Mash-Up – Multigender / Multiworld unter dem Motto „Irradiate yourself“ statt. Die israelische Sängerin Illay wird auftreten, später legt das experimentelle LGBTQI+ DJ-Kollektiv Chernobyl aus São Paulo auf, die Erlöse aus den Einnahmen des Abends gehen an die Gruppe International Women Space, eine feministische Gruppe, die sich gegen Gewalt, Rassismus, Patriarchat und Diskriminierungen einsetzt.

Illay ist Sängerin und Cellistin und kommt aus Tel Aviv

An der niedrigen Decke der Raumerweiterungshalle dreht sich träge eine kleine Discokugel und wirft schräge Lichtpünktchen durch den Raum, ein paar Menschen tanzen zu „Redbone“ von Childish Gambino. Kurz nach Mitternacht füllt sich die Halle, Illay kündigt sich als erster Act des Abends an. Illay ist Sängerin und Cellistin, sie kommt aus Tel Aviv und lebt seit fünf Jahren in Berlin. Heute trägt sie einen kanariengelben Jumpsuit und beginnt ihren Auftritt mit ihrer aktuellen Single „Your Time Has Passed“, in der es um eine Beziehung geht, die sich verändert hat und sich nun falsch anfühlt. „Your Time Has Passed“ wechselt zwischen einer sanften Melodie und schnelleren rockigen Elementen mit Bassgitarre, in dem Video dazu singt Illay auf Hebräisch, manchmal tanzt sie frei und fröhlich, dann wieder steht sie wie gefesselt da, und ihre Tänzerinnen bemalen ihr Gesicht mit bunten Punkten und Streifen. Ihre Musik werde von allem inspiriert, was ihr Leben beeinflusst, sagt Illay, das könne Politik sein, eine Beziehung oder die vergehende Zeit, die ihre Spuren auf Gesicht, Körper und Geist hinterlässt.

„Sabotage“ widmet Illay einer kürzlich verstorbenen Freundin

Ihren Song „Sabotage“, nach dem ihr 2018 erschienenes Album benannt ist, widmet Illay an diesem Abend einer vor Kurzem verstorbenen Freundin. Die Trompeterin, die mit den ersten Takten im Publikum zu spielen beginnt, gibt „Sabotage“ eine sehr soulige Note und erinnert an manchen Stellen an etwas, was Sade spielen würde. Ihr Album „Sabotage“ wurde in Tel Aviv aufgenommen und ist das Ergebnis eines zehn Jahre langen musikalischen Prozesses. Ihr Songwriting beschreibt sie als etwas Therapeutisches: „Für mich passiert etwas sehr Starkes, wenn Worte und eine Melodie zusammenkommen, etwas Heilendes. Ich kann vergeben, Ärger und Angst loslassen, Schmerz bekommt eine neue Form, ich fühle mich befreit und kann darüber lachen, was passiert ist.“

Mit dem Refrain „You’re here but you’re never there“ handelt auch Sabotage von einer Liebe, die auseinanderläuft, und spätestens bei einem Cover von Soft Cells „Tainted Love“ ist endgültig klar, das es bei Illays Musikdiskurs heute Abend ganz um diese Liebe geht, die sich nicht mehr richtig anfühlt. Nach „Tainted Love“ zerstreut sich das Pu­bli­kum langsam wieder nach draußen, es wird leerer, und der Rest von Illays Performance verpufft ein wenig, vorbei an der Discokugel und zwischen der niedrigen Decke der Raumerweiterungshalle nach draußen in den Hof.