Kommentar EU-Länder und Seenotrettung: Menschenfeindlicher Unsinn

Gibt es Alternativen zum Anlegen von Rettungsschiffen in den Häfen von Lampedusa und Malta? Nein – denn Libyen ist und bleibt kein sicherer Drittstaat.

Italienische Polizeikräfte stehen am Hafen, als das Rettungsschiff „Alex“ der NGO „Mediterranea“ einläuft

Die einzige Lösung, um das Sterben im Mittelmeer zu beenden, ist es, europäische Häfen zu öffnen Foto: ap

Seit der öffentlichkeitswirksamen Festnahme der „Sea-Watch 3“-Kapitänin Carola Rackete diskutiert halb Europa wieder einmal über Seenotrettung im Mittelmeer. Italiens stramm rechter Innenminister Matteo Salvini verbietet Rettungsschiffen das Anlegen im Hafen der italienischen Insel Lampedusa, und auch Maltas Häfen werden für Menschenrettungsschiffe immer wieder geschlossen. Schon werden Stimmen laut, es gebe Alternativen. Man könne die Geretteten schließlich zurück nach Libyen oder in den jeweiligen Heimathafen der Schiffe bringen. Doch das ist menschenfeindlicher Unsinn.

Aus Seenot gerettete Menschen kann man nicht guten Gewissens nach Libyen bringen – auch wenn das Boot unweit der libyschen Küste in Seenot geraten ist. Das ist eine Erkenntnis, die nicht erst seit einer Woche besteht. In dem nordafrikanischen Land herrscht seit Jahren Bürgerkrieg. Aus anderen Ländern Flüchtende werden dort in Lagern untergebracht, gefoltert oder versklavt.

Auch wenn einige Europäer*innen es noch immer nicht wahrhaben und möglichst die libysche Küste abriegeln wollen, damit sich keine Menschen aus dem Land über das Mittelmeer in Richtung Europa auf den Weg machen: Libyen ist kein sicherer Drittstaat. Das hat auch die vergangene Woche wieder verdeutlicht, als mindestens 40 Menschen bei einem Luftangriff auf ein Internierungslager für Migrant*innen ums Leben kamen.

Die 65 Geretteten vom deutschen Rettungsschiff „Alan Kurdi“ sind am Sonntag in Malta angekommen. 62 von ihnen seien an ein maltesisches Patrouillenboot übergeben worden und am Abend in Malta gelandet, teilte Maltas Armee mit. Drei Geflüchtete, die dringend ärztliche Hilfe brauchten, wurden demnach schon zuvor per Lufttransport geholt.

Die 65 Menschen sollen umgehend auf andere europäische Länder verteilt werden, wie die Regierung in Valletta zuvor nach Gesprächen mit der EU-Kommission und Deutschland bekanntgegeben hatte.

Die „Alan Kurdi“ war tagelang auf Irrfahrt auf dem Mittelmeer gewesen. Italien wollte die 65 von einem überfüllten Schlauchboot vor der libyschen Küste geretteten Menschen nicht an Land lassen. Auch Malta hatte sich zunächst gesperrt. An Bord spitzte sich die Lage zu. (dpa)

Dann sollen die Seenotretter*innen mit ihren Schiffen eben bis nach Spanien fahren oder gar bis Kiel, in den Heimathafen des jeweiligen Schiffs? Schließlich hat etwa die „Sea-Watch 3“ unter Carola Racketes Kommando zwei Wochen auf dem offenen Meer gelegen. Der Unterschied zwischen dem mehrtägigen Warten vor Lampedusa und einer Europa-Umsegelung liegt auf der Hand: Die Kapi­tän*innen erwarten eine menschliche Politik seitens der EU, gerettete, womöglich traumatisierte Menschen aufzunehmen, und steuern deshalb den nächsten erreichbaren Hafen in Europa an. Wer einmal auf eine Karte geschaut hat, weiß, dass Lampedusa und Malta nur wenige Hundert Kilometer von der Küste Libyens entfernt sind.

Die einzige Lösung, um das Ertrinken im Mittelmeer zu beenden, ist die Öffnung der Häfen in Italien und Malta. Die südeuropäischen Länder müssen die Geretteten ja nicht einmal selbst aufnehmen. Viele europäische Städte haben sich in den vergangenen Monaten dazu bereit erklärt. In Deutschland unterstützen 60 Städte die Seebrücke-Initiative „Sichere Häfen“. Und selbst Bundesinnenminister Horst Seehofer appelliert inzwischen an Salvini, seinen Unwillen, die italienischen Häfen zu öffnen, zu überdenken.

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