Kommentar Preis für Emma-Cartoonistin: Falsche Ehre für Kopftuchklischees

Die Cartoonistin Franziska Becker soll vom Journalistinnenbund für ihr Lebenswerk ausgezeichnnet werden. Eine befremdliche Entscheidung.

Franziska Becker

Konstruktion, Verbreitung und Verhärtung eines Klischees: Cartoonistin Franziska Becker Foto: dpa

Der Journalistinnenbund will die Cartoonistin Franziska Becker für ihr Lebenswerk auszeichnen; und dies ist, um es vorsichtig auszudrücken, eine befremdliche Entscheidung. Zu einem befremdlichen Zeitpunkt. Denn gerade scheint eine längst überfällige Diskussion darüber in Gang zu kommen, inwieweit auch bürgerliche Kreise Islamfeindlichkeit hoffähig gemacht und damit auch zu rechter Gewalt ermutigt haben. Nach dem Mord an Walter Lübcke reflektieren selbst Teile der CDU die Zusammenhänge.

Und jetzt der Preis für Franziska Becker. Die Karikaturistin hat, wie das Magazin Emma, für das sie seit 1977 arbeitet, sicherlich ihre Verdienste. Es wäre absurd, leugnen zu wollen, dass Beckers Karikaturen Feministinnen so manches erleichternde Auflachen beschert hätten.

Genauso falsch aber wäre es umgekehrt, zu verharmlosen, wie stark nicht nur die Emma, sondern eben auch Becker an der Konstruktion, Verbreitung und Verhärtung eines Klischees mitgearbeitet haben, bei dem so viele „linke“ Feministinnen mit ultrarechten Durchschnittssexisten übereinstimmen: dem Klischee von der scheinbar zwangsläufig unterdrückten, verblödeten, jeder Individualität beraubten kopftuchtragenden Frau.

Immer wieder hat Becker die plattesten Figuren gezeichnet: muslimische Polizistinnen, die mit einer Axt herumlaufen; Richterinnen, die fürs Gebet ständig den Prozess unterbrechen; verhüllte Frauen, die sklavisch ihren Männern folgen.

Durch ständige Wiederholung auf Covern von Nachrichtenmagazinen und in Karikaturen wie solchen von Becker hat sich die Chiffre „Kopftuch“ festgebrannt. Jeder x-beliebige Hinz und Kunz, der daheim nicht mal weiß, wie der Herd angeht, fühlt sich heutzutage bemüßigt, von oben herab muslimische Frauen in Sachen Patriarchat zu bemitleiden.

Aufgrund von Äußerlichkeiten werden einer Menschengruppe innere Einstellungen und Befähigungen zu- oder eben abgesprochen. Das führt zu weniger, nicht zu mehr Handlungsfreiheit von verschleierten Musliminnen. Und das ist weder einer Auszeichnung wert noch feministisch.

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Hilal Sezgin studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete mehrere Jahre im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in der Lüneburger Heide. Zuletzt von ihr in Buchform: „Nichtstun ist keine Lösung. Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs.“ DuMont Buchverlag 2017.

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