Rocker und Nazis in Neumünster: Eine Stadt unter Druck

Im schleswig-holsteinischen Neumünster sind Rocker- und Neonazi-Szene eine unheilvolle Liaison eingegangen.

Teilnehmer einer Demonstration, gestreckter Mittelfinger

Ende einer NPD-Demo: Rechte werden in Neumünster zum Zug gebracht Foto: dpa

Hamburg | taz | Neumünster, das ist eine dieser Städte, die selten in den Medien auftauchen, und wenn doch, bedeutet es in der Regel nichts Gutes für die Stadt. „Neumünster“ hören die Leute und vielleicht denken sie an die 13 Tage, die der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont im örtlichen Gefängnis verbracht hat.

Wahrscheinlicher ist, dass den Leuten gar nichts einfällt und das liegt daran, dass Neumünster auf der Landkarte der Tourismusverbände höchstens mit einem Outlet-Center vor den Toren der Stadt auftaucht. Die Zeiten, als es ihrer Tuchindustrie gut ging, sind lange vorbei und die fünf Fabrikschlote im Stadtwappen Erinnerung an bessere Zeiten.

Das Ungewöhnliche an Neumünster ist – und auch das ist bezeichnend – eher zufällig bekannt geworden, als es um die Ausrufung von Gefahrengebieten in Hamburg ging: Neumünster lief wegen der Rockerbanden, die dort agieren, mehrere Jahre lang als polizeiliches Kon­trollgebiet, im Volksmund besser bekannt als, eben, „Gefahrengebiet“. Wer dort lebt, läuft täglich an den Kneipen vorüber, in denen sich die Szene trifft, und an ihren Tattoo-Studios neuerdings auch.

In Neumünster sitzen zwei NPD-Leute im Stadtrat. Es gibt eine Neonazi-Szene, die nicht größer oder kleiner ist als in anderen Städten auch. Was sie ungewöhnlich macht, ist, dass sich in der Stadt Neonazis und Rocker schon lange gefunden haben. Was der Verfassungsschutz heute als bedrohliche Entwicklung in ganz Deutschland benennt, hätte er in dieser unauffälligen Mittelstadt schon lange antreffen können.

Aggressiv männlich

Zwei Szenen, die auf den ersten Blick nicht kompatibel sind, und sich doch finden: in ihren autoritären Strukturen, im aggressiven Männlichkeitsideal, in ihrer Verachtung für den demokratischen Staat. Es ist eine unheilvolle Vermischung und eine, die Angst macht: In Neumünster, so heißt es, würden Leute bedroht von Rockern, wenn sie sich über laute Musik beschwerten. Es ist eine zutiefst beunruhigende Erfahrung, bedroht zu werden von Leuten, denen die Sanktionen gleichgültig sind, die man gegen sie aufbieten kann.

Neumünster zu besuchen, heißt, eine Stadt zu besuchen, in der Menschen der Neonazi-Rocker-Szene sehr unterschiedlich begegnen: kämpferisch, gleichgültig, eingeschüchtert. Es bedeutet, mit Menschen zu sprechen, die unter rechts Denkenden – und entsprechend Handelnden – schon in der Schule gelitten haben; mit solchen, die es als ihre politische Aufgabe betrachten, diese Rechten zu bekämpfen.

Probleme nicht ungewöhnlich

Am auffälligsten sind immer die, die aufstehen, die eine Position vertreten. Das bedeutet aber nicht, dass sie die auch durchsetzen könnten. Es bedeutet auch nicht immer, dass sie für eine Mehrheit sprechen. Die Probleme, mit denen sich Neumünster herumschlägt, und das ist bitter, sind nicht ungewöhnlich. Nur sind sie in dieser Stadt wie in einem Brennglas zu betrachten: auf engem Raum und schon lange schwelend.

Mehr über braune Rotlichtfiguren, eine Stadt mit arg kurzen Wegen und Menschen, die nicht einfach weggehen, lesen Sie in der gedruckten taz nord am Wochenende oder hier.

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