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Hass oder Liebe? Ganz egal, Amazon hat unser Konsumverhalten maßgeblich verändert. Der weltgrößte Onlinehändler wird 25 Jahre alt
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Foto: Kitch Bain/Alamy/mauritius images

Ich brauch dich nicht

Ich führe ein Leben ohne Amazon. Obwohl mein Zeitbudget für analoges Shopping gen null geht. Job, Kind, Ehrenamt, Freizeit. Keine Zeit, nie. Mach’s doch mit Amazon, sagen meine Freund*innen. No way, sage ich. Obwohl ich Fan von KI und digitalem Schnickschnack bin. Denn ich habe keine Lust, dass Jeff Bezos weiß, welche Schuhe ich mag, dass ich eine Fahrradlampe brauche und mein Kind sich eine Federtasche mit Drachen wünscht. Ich mag auch nicht, dass er meinen Einkauf bewertet, mir mehr Angebote schickt, und auch seinen Umgang mit Arbeiter*innen in der Logistik kann ich nicht leiden. Sorry, Amazon: Du kriegst mich nicht. Never. Denn es gibt ein Leben ohne dich. Tanja Tricarico

Offline

Schon Günter Grass kaufte hier gerne ein, als er noch in der Nähe meiner Buchhandlung wohnte. Sie hat eine wackelige Treppe hoch in die Reiseecke und eine Abteilung für Kiez-Bücher, der Parkettboden knarzt herrlich. Meine Buchhandlung wurde 1713 gegründet, sie ist die älteste der Stadt. Sie ist 80 Quadratmeter groß und hat „nur“ 8.000 Titel vorrätig, aber die Buchhändler wissen immer, was ich gerade brauche – und bestellen. Auf Nachfrage packen sie mir den Houellebecq, den Mankell oder auch ein Pixi-Buch in schickes Geschenkpapier und murren kaum, wenn ich nur die Karte zücke. Nicht mal die Hälfte des Umsatzes mit Büchern wurde 2018 im stationären Handel verdient, Tendenz sinkend. Jedes 5. Buch wurde online verkauft, Tendenz steigend. Eigentlich schade. Ermutigend: Mein Laden wird es auch weiter packen. Kai Schöneberg

Hallo 21. Jahrhundert!

Neulich wollte ich einen Wischmop kaufen. Im Baumarkt sollte der Lappen 19,90 Euro kosten. Ich zog mein Handy raus. Zwei Stück für 8,99 Euro. Lieferung bis heute Abend. Ohne Amazon gäbe es die feministischen Serien „Transparent“ und „Fleabag“ nicht. Ohne Amazon wäre die Washington Postwahrscheinlich tot. Und an Fans der Innenstädte: Das 20. Jahrhundert ist vorbei. Fußgängerzonen sind die Hölle,ein Geschäft für Matratzen kein Kulturgut. Die Arbeitsbedingungen sind eine Frage für Gewerkschaften. Digitalisierungsängste auf Amazon zu reduzieren, ist antiamerikanisch (Warum boykottiert ihr nicht den Otto-Versand?). Boykotteure verwechseln Moral mit Politik. Kersten Augustin

Paketscham

Ausgerechnet im Bioladen gegenüber! Da, wo ökologisch aufmerksame Menschen sich nahezu plastikfrei mit korrektem Zeug eindecken, landen meine säuischen Amazon-Pakete, wenn ich nicht zu Hause bin. An der Tür des Mietshauses, in dem ich wohne, klebt dann für gut zwei Dutzend BewohnerInnen sofort sichtbar ein orangefarbener Benachrichtigungszettel mit meinem Namen drauf: „Kullmann war’s!“

Ja, es kommt vor, dass ich Bücher über jene Plattform ordere. Aber: ausschließlich US-Werke, die meisten antiquarisch, die ich sonst nur schwer oder sehr viel später bekomme würde. „Ich bin Amerikanistin, es hat berufliche Gründe.“ So entschuldige ich mich beim Abholen, denn ich schäme mich wirklich dafür. Besonders seit ich Heike Geißlers Reportage „Saisonarbeit“ las: Die Autorin erzählt in jenem Buch über ihre Tätigkeit im Leipziger Amazon-Lager – übel! Ich kaufte es nicht beim bösen Riesen. Katja Kullmann