Der Anwalt der Deutschen Umwelthilfe: Remo, der Klagewellen­reiter

Als Anwalt vertritt Remo Klinger die Deutsche Umwelthilfe – etwa, wenn es um Fahrverbote geht. Doch er wechselt auch gerne die Seiten.

Der Anwalt Remo Klinger Akten sortierend im Gerichtssaal

Remo Klinger, hier in Sachen Fahrverbote unterwegs Foto: dpa

FREIBURG taz | „Ich hasse es, vor Gericht zu verlieren“, sagt Anwalt Remo Klinger über sich. An diesem Donnerstag wird er wohl erneut gewinnen. Der Bundesgerichtshof (BGH) wird voraussichtlich eine Klage gegen die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ablehnen. Es sei wohl nicht „rechtsmissbräuchlich“, wenn die DUH Unternehmen abmahnt, ergab die Verhandlung im April.

Bekannt wurde der 49-jährige Klinger vor allem durch seine Diesel-Klagen im Auftrag der DUH. Dabei ist er nicht nur ausführendes Organ, er hat die Klagewelle sogar selbst konzipiert. Schon 2004 schlug er verschiedenen Umweltverbänden vor, Städte zu verklagen, um EU-Luft-Grenzwerte durchzusetzen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sah damals keine Erfolgsaussichten. Dagegen hatte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch einen besseren Riecher und gab Klinger das Mandat.

Zunächst ging es um Feinstaub. Klagen konnten damals nur Anwohner von Messstellen, wie der Grünen-Politiker Dieter Janecek in München. Aber: Schon die ersten Klagen hatten Erfolg. Der Europäische Gerichtshof bestätigte, dass Bürger ihr Recht auf gute Luft gerichtlich durchsetzen können.

Später traten neue Grenzwerte für Stickstoffdioxid in Kraft. Ab 2010 vertrat Klinger auch hier DUH-Musterklagen, zunächst wiederum von Einzelpersonen. Erst 2013 erkannte das Bundesverwaltungsgericht an, dass es auch hier ein Klagerecht für Verbände gibt, nun konnte die DUH selbst klagen. Die Durchsetzung dieses Verbandsklagerechts war einer der größten Erfolge Klingers, weil die Justiz mit uralten deutschen Traditionen brach.

Erfolgreiche Klagen

Inzwischen führt die DUH Klagen gegen 35 Städte mit überhöhten Stickstoffdioxid-Werten, ganz überwiegend erfolgreich. Das wichtigste Urteil erging im Februar 2018. Damals entschied das BVerwG, dass die Behörden auch Diesel-Fahrverbote verhängen müssen – wenn sonst nichts hilft.

Der erste Kontakt zur DUH entstand schon Anfang der Nullerjahre im Kampf um das Dosenpfand. Der Einzelhandel und die großen Getränkehersteller wollten das Pfand auf Einwegflaschen und -Dosen unbedingt verhindern und starteten bundesweit Tausende von Klagen bei allen Verwaltungsgerichten. Auf der anderen Seite standen der Staat, die Getränkegroßhändler, der Automatenhersteller Tomra und die DUH. „Das war neben dem Atomausstieg die größte wirtschaftsrechtliche Auseinandersetzung in Deutschland“, erinnert sich Klinger. Am Ende wurde mit seiner Hilfe das Dosenpfand durchgesetzt.

Oft arbeitet Klinger „pro bono“. „Arbeit für den Rechtsstaat“, wie er sagt

Trotz seiner Verdienste ist Klinger nicht unangefochtener Champion der Umweltverbände. Denn er arbeitet nicht nur für Umweltschützer, sondern auch für den Staat. So vertrat er etwa den Berliner Senat in den Schließungsverfahren der Flughäfen Berlin-Tegel und -Tempelhof oder das Land Mecklenburg-Vorpommern in der Auseinandersetzung um den Klein-Flugplatz Rerik-Zweedorf, der an ein Vogelschutzgebiet angrenzt.

Klingers Leidenschaft gilt dem Umweltrecht nicht, weil er sich als Super-Ökologe fühlt, sondern weil hier vieles im Fluss ist und er mit innovativen Lösungen auch Rechtspolitik betreiben kann. Unter seinen Mandaten stammt nur die Hälfte aus dem Umweltrecht, fast ebenso wichtig sind das Baurecht und andere Bereiche des Öffentlichen Rechts.

Immer wieder sind auch politisch spannende Fälle dabei. So erhob er im Mai im Auftrag der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) Klagen gegen die Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten. Und für die Opfer und Angehörigen eines Fabrikbrandes in Pakistan verhandelte er mit der Textilfirma Kik, die Schadenersatz zusagte. Eine Schmerzensgeldklage scheiterte jedoch in diesem Frühjahr an Feinheiten des pakistanischen Verjährungsrechts. Oft arbeitet Klinger bei solchen Klagen „pro bono“, also zu sehr günstigen Konditionen. „Arbeit für den Rechtsstaat“, wie er sagt.

Ökologie als Wahlfach

Klinger ist in der DDR aufgewachsen, in Osterburg in der Altmark bei Stendal. Das geplante Atomendlager Gorleben war zwar geografisch nicht wirklich weit weg (direkt hinter der Grenze), spielte in seiner Jugend aber keine Rolle. Dabei hatte er im DDR-Abitur sogar Ökologie als Wahlfach belegt.

Seit er 15 ist, wollte er Strafverteidiger werden. Zu DDR-Zeiten war das allerdings nicht so einfach, es gab pro Jahr nur rund zehn Studienplätze für Verteidiger. Immerhin besorgte ihm der Kreisbaubetrieb Osterburg einen Studienplatz für „Wirtschaftsrecht“. Als er am 4. Oktober 1990 in Leipzig endlich mit dem Studium beginnen konnte, gab es die DDR nicht mehr und auch das Fach Wirtschaftsrecht war verschwunden. Also begann Klinger ein ganz normales Jurastudium ein Jahr später in Berlin.

Ein Aushang am Schwarzen Brett brachte Klinger im 3. Semester einen Job in der Kanzlei von Otto Schily und Reiner Geulen. Dort merkte er bald, dass ihm Verwaltungsrecht mehr liegt als das Strafrecht, das ihm „zu emotional“ ist. Er begleitete Geulen beim Prozess um die Stilllegung des AKWs Mülheim-Kärlich. Nach dem Examen wird Klinger Partner in Geulens Kanzlei.

Blattgold an der Decke

Klinger ist damit aber nicht Nachfolger von Otto Schily, denn die Strafverteidiger um Schily und Nicolas Becker hatten sich zuvor abgespalten. Geulens Bedingung damals: „Ich behalte die Räume und den Klinger.“ Anschließend veredelte Geulen die 68er-Kanzlei, jetzt gibt es Blattgold an der Decke und schicke Gemälde an der Wand. Klinger schmunzelt darüber. Mit seinem Senior-Partner Geulen siezt sich Klinger heute noch.

Eigentlich könnte Klinger einer der meist gehassten Anwälte Deutschlands sein. Doch die DUH-Gegner in Medien, Verbänden und Parteien schießen sich eher auf DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch ein als auf seinen stets freundlich und besonnen wirkenden Anwalt.

Selbst nach dem Durchbruch für Fahrverbote beim Bundesverwaltungsgericht bekam Klinger nur eine einzige wütende E-Mail. Ein Mann aus Thüringen beschimpfte ihn als „porschefahrenden Anwalt“. Klinger schrieb höflich zurück, dass er trotz seiner drei Kinder nur einen kleinen Toyota Auris Hybrid fahre. Der wütende Thüringer entschuldigte sich. Auch das ein kleiner Erfolg.

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