Ausstellungsempfehlung für Berlin: Im Zeichen des Saturns

Im Off-Space Studio Picknick widmet Martin Maeller dem Saturn und der Melancholie eine Ausstellung. Die taz sprach mit dem Künstler.

Martin Maeller, „Saturnine“, 2019. Installationsansicht bei Studio Picknick Foto: Trevor Good

Der Florentiner Philosoph Marsilio Ficino führte in zahlreichen seiner Schriften seine Melancholie auf den großen, geistig anregenden aber auch düsteren Einfluss, den der Saturn auf ihn habe, zurück. Erst durch die direkte Hinwendung zu dem Planeten, glaubte er, könnte er dessen selbstzerstörerischen Charakter schöpferisch nutzen. Dieser Idee scheint auch Martin Maeller zu folgen und hat seine Einzelausstellung bei Studio Picknick dem Planeten der Melancholiker gewidmet, „Saturnine“ heißt die Schau.

Schwarz wie die Galle, von der Melancholiker der humoralen Säftelehre nach ein Übermaß hätten, sind entsprechend viele von Maellers Materialien. Wie Überbleibsel aus einer fernen oder nahen Zeit fügen sich die Objekte zu einem eiskalt-sinnlichen Parcours.

Schrumpfschläuche, die zuvor Äste umschlossen haben, hängen wie Schlangenhäute über einer Metallstange. In zwei Bodenarbeiten verschmelzen Abdrücke von Nike Vapormax Sneakern mit Fossilien von Trilobiten. Der Saturn grüßt einen indes als kleiner Sticker mit betrübtem Emoji-Blick von einem schmutzigen SBR-Vorhang – SBR ist ein Synthesekautschuk, aus dem unter anderem Autoreifen hergestellt werden.

Zu Schwermut hat nämlich auch der Planet einigen Grund: In 100 Millionen Jahren wird er seine Ringe verloren haben. Einen hat Maeller als kleinen Trost in seine Ausstellung integriert. Der Raum hält den Ring in Form, oder ist es andersherum? Auf jeden Fall hat auch er Schrammen an der Wand hinterlassen, die wie so vieles gleichzeitig anziehen wie abstoßen.

Studio Picknick, Potsdamer Str. 118 (Hinterhof), samstags 12–18 Uhr und nach Vereinbarung, bis 27. Juli

Einblick (780): Martin Maeller, Künstler

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?

Martin Maeller: Als ich vor Kurzem an der U-Bahnstation Naturkundemuseum umgestiegen bin, um zum Hauptbahnhof zu kommen, fand ich dort die Plakatmotive auf den Werbeflächen extrem gut. Die malerisch erzeugten Dino-Knochen-Fragmente, die an einen Rorschachtest erinnern, eingerahmt in gelbem Holz, haben in diesem Augenblick einen Teil meiner Persönlichkeit gespiegelt. Alternativ: The Heartlake City Abenteuer 2019 im Legoland.

Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen?

Martin Maeller ist 1990 in Bayern geboren. Von 2009 bis 2015 studierte er an der Weißensee Kunsthochschule in Berlin und machte dort 2015/2016 seinen Meisterschüler. 2017 wurde ihm ein Stipendium der Alexander Tutsek-Foundation verliehen. Martin Maeller lebt und arbeitet in Berlin. Seine Kunst, die Skulptur und Installation umfasst, zeigte er zuletzt u. a. in der Thomas Erben Gallery in New York, bei Polansky in Brünn, im Brandenburger Kunstverein in Potsdam, im Zeiss-Großplanetarium in Berlin – eingeladen von der Schering Stiftung oder bei PS120 in Berlin. Momentan läuft seine Einzelausstellung „saturnine“ in dem Berliner Off-Space Studio Picknick.

Ich kann die letzten Konzerte von William Basinski, John Maus, ABRA und Grouper sehr empfehlen und freue mich im September auf Cher.

Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet dich zurzeit durch den Alltag?

Gerade lese ich mehrere Printmedien parallel: ein weiteres Buch über Melancholie, dieses Mal von László F. Földényi, sowie die Monografie von Valerio Olgiati, die „Dunkle Nacht“ des Mystikers Johannes vom Kreuz und immer wieder gerne die aktuelle Ausgabe der Apotheken Umschau.

Was ist dein nächstes Projekt?

Ich beginne gerade an einer neuen Publikation zu arbeiten, die den Planeten Saturn fotografisch ein Jahr lang aufzeichnet. Außerdem bereite ich weitere Ausstellungen in Frankfurt/Main und Berlin vor.

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude?

Momentan bin ich abhängig von Thermalwassersprays.

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