Soll man die BDS-Bewegung boykottieren?

Ja

Man stelle sich vor, ein Neonazi möchte einen Kühlschrank kaufen und die Kühlschrankfirma sagt: „Nö. Auf ihre 3,50 verzichten wir. Melden Sie sich gerne wieder, wenn sie erkannt haben, dass ein mordendes Arschloch ein mordendes Arschloch ist und Sie finden, dass mordende Arschlöcher zu bekämpfen sind.“

Würde man auf die Idee kommen, zu sagen, die Kühlschrankfirma hätte so entschieden, weil der Druck von Bundestag, Aktivisten und Medien, Neonazis blöd zu finden, so stark ist?

So wie die Kühlschrankfirma hat natürlich auch die Bank für Sozialwirtschaft die Freiheit, zu entscheiden, wie sie mit ihrem ins Gerede gekommenen Kunden, die Initiative „Jüdische Stimme“ umgeht. Auch wenn sie durch die aktuelle Debatte über den BDS dazu gezwungen wurde. Eine Bank ist schließlich auch kein Eisschrank, der außerhalb aller gesellschaftlicher Dynamiken und Diskurse steht.

In jedem freien Land – auch Deutschland ist dabei – kann jeder selbst entscheiden, ob er die israelische Politik schlecht findet oder geil. Aber was ist noch Meinung und wo beginnt sie, starken Mundgeruch zu entwickeln? Ich vertrete die Meinung, dass es eine Reihe von Meinungen gibt, die ins Tiefkühlfach gehören, damit sie sich abkühlen. Die Meinung des BDS, Israel müsse weg, damit die Palästinenser leben können, ist so eine.

Die politischen Mittel des BDS sind zudem nicht nur undemokratischer als die der Kühlschrankfirma, sondern erinnern eindeutig an die Mittel des NS: Wer Bürger des Staates Israel ist, wird vom BDS in Sippenhaft genommen.

Veranstalter werden vom BDS unter Druck gesetzt, israelische Künstler, Sportler oder Akademiker nicht einzuladen, der BDS feiert Terrordrohungen gegen israelische Sportler und setzt Fake News ein (etwa: Greenpeace fordert BDS-Verbot), kurz: er spielt ein ganz großes Arschloch. Wer andere derart ausgrenzt, darf sich nicht wundern, wenn andere seine Ausgrenzung fordern.Doris Akrap

Nein

In Deutschland macht sich ein McCarthyismus light breit. Wer BDS unterstützt, ist laut Bundestagsbeschluss Antisemit, also moralisch und intellektuell inakzeptabel und zu ächten. Mancherorts reicht schon der Verdacht, dass über BDS diskutiert werden könnte, um Veranstaltungen in städtischen Räumen zu verbieten. Der israelkritischen „Jüdische Stimme“ wurde mangels Distanzierung von BDS nun ein Bankkonto gekündigt.

Das alles zielt auf eine Bewegung, die in Deutschland kaum Mitglieder hat. Wie im McCarthyismus geht es nicht in erster Linie um den Feind – sondern um eine Stimmung des Verdachts. Nicht nur die winzige Schar von BDS-Fans ist suspekt. Auch wer das anmaßende Antisemitismus-Urteil des Bundestags kritisiert, gilt als dubioser Sympathisant von Antisemiten. Das Ressentiment dringt wie fein rieselnder Sand in alle Ritzen. Der Direktor des Jüdischen Museums musste nach vermeintlicher Kritik des Museums am Anti-BDS-Beschluss zurücktreten.

Dass in Palästina weite Teile der Zivilbevölkerung BDS als friedliches Mittel gegen die Besatzung sehen, interessiert in Deutschland nicht. Man möchte auf der richtigen Seite stehen und seine Ruhe haben. Deutschland ist in Netanjahus Diffamierungskampagne gegen Kritiker nur ein Nebenschauplatz. Im Kern geht es darum, in Israel die Gegner des autoritären Rechtsregimes an die Wand zu drücken. Liberale in Israel schlagen deshalb Alarm. Doch viele deutsche Linke oder Ex-Linke sind taub für den illiberalen Kern der Anti-BDS-Kampagne. Das mag ein unbewältigtes dogmatisches Erbe anzeigen. Sie begreifen nicht, dass Wahrheit nicht durch diskursive Verminungen zu gewinnen ist, sondern durch Reflexion auch überzogener Ansichten.

Dan Diner hat geschrieben, dass wir über Antisemitismus reden sollten, als gäbe es keinen Nahostkonflikt und über Nahost, als gäbe es keinen Antisemitismus. Die Anti-BDS-Kampagne vermischt beides. Israel wird so mit diskursiven Verboten beplankt, der Antisemitismus hierzulande verniedlicht.

Stefan Reinecke