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Zwei Abschlüsse in vier Jahren

Eine neue Hochschule vereint ab 2021 in Hamburg duale Ausbildung mit Bachelor-Abschluss

Von Julika Kott

Im Wintersemester 2021 eröffnet in Hamburg eine neue Hochschule. 250 Studierende sollen nun die Möglichkeit haben, an der Beruflichen Hochschule Hamburg (BHH) eine duale Ausbildung der neuen Art zu absolvieren: Neben dem Ausbildungsabschluss an einer Berufsschule verlassen die Auszubildenden die Hochschule auch mit einem Bachelor-Abschluss in der Tasche. So innovativ, wie Schulsenator Ties Rabe (SPD) das Bildungskonzept beschreibt, ist es allerdings nicht – ähnliche Ausbildungen gibt es in Hamburg bereits.

Wie Rabe im Juni ankündigte, soll das neue Konzept ein „Meilenstein für Hamburg“ sein. Das Projekt läuft auf Hochtouren, um rechtzeitig zum Semesterbeginn im Herbst 2021 fertig zu sein. Initiiert hatte Ex-Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) die Hochschule auf Anfrage der Industrie. Die neue BHH steht unter der Trägerschaft des Hamburger Instituts für Berufliche Bildung (Hibb) und wird von der Handelskammer sowie von Unternehmerverbänden und Berufsschulen unterstützt.

Praxisorientiert und akademisch

Die hybride, studienintegrierte Ausbildung soll den Fachkräftemangel eindämmen. Außerdem soll das breitere Angebot Ausbildung allgemein attraktiver machen, denn Auszubildende werden gleichwertig mit Praxis und Theorie konfrontiert. „Zunächst soll es die studienintegrierende Ausbildung für Berufe im kaufmännischen Bereich und in der Informatik geben“, heißt es in der Pressemitteilung des Hamburger Senats. Später soll das Angebot dann auch auf handwerkliche Ausbildungen in Verknüpfung mit einem betriebswirtschaftlichen Studium erweitert werden.

Voraussetzung für die Teilnahme ist eine Hochschulzugangsberechtigung und ein Ausbildungsvertrag; Interessanten bewerben sich, wie bei einer Ausbildung, direkt bei den Unternehmen. Dauert eine duale Ausbildung in der Regel zwei oder drei Jahre, muss man als Teilnehmer*in einer studienintegrierenden Ausbildung mit mindestens einem zusätzlichen Jahr rechnen.

Aufgebaut ist das Studium in Modulen: Während der ersten eineinhalb Jahre nehmen alle an der Grundstufe teil, im zweiten Jahr absolvieren die Auszubildenden den Berufsabschluss und haben dann die Option, im dritten Jahr einen Bachelor draufzusatteln. So können sich Auszubildende für oder gegen einen Bachelor-Abschluss entscheiden, ohne um ihren Ausbildungsabschluss fürchten zu müssen.

Aber ist das Ausbildungsmodell auch so innovativ, wie die Hamburger Schulbehörde behauptet? Sehr ähnliche Modelle gibt es bereits in Deutschland – und in Hamburg. Die Berufsakademie Hamburg (BA) bietet sogenannte ausbildungsintegrierende duale Studiengänge in handwerklichen Berufen an, die nahezu dieselben Eigenschaften haben.

Auch die Hochschule für Angewandte Wissenschaft (HAW) am Berliner Tor bietet seit 2002 ausbildungsintegrierende Studiengänge in technischen Bereichen an. Nach neun Semestern erhalten Studierende im ausbildungsintegrierenden dualen Studium neben dem Hochschulabschluss auch einen Ausbildungsabschluss. Aber anders als für eine duale Ausbildung ohne Studium setzt die neue Hamburger Hochschule eine Hochschulreife voraus und unterscheidet sich dadurch noch weniger von den bereits existierenden Angeboten.

Eine wichtige Frage bleibt noch ungeklärt: Wird die Hochschule keinen eigenen Campus besitzen, wie das Hamburger Abendblatt behauptet und die Hamburger FDP stark kritisiert? Bei der Frage bleibt Christine Gottlob, Sprecherin der Hibb, vage. Das Ob und das Wo sind noch unklar: „In der Aufbauphase der Hochschule sollen Räumlichkeiten in den berufsbildenden Schulen zur Verfügung gestellt werden. Die Notwendigkeit für ein eigenständiges Gebäude wird in der Aufbauphase geprüft.“

Für die CDU sind dagegen die hohen Kosten der neuen Hochschule ein Grund zur Kritik. Jährlich werden die Betriebskosten voraussichtlich 5,6 Millionen Euro erreichen. Jed*e Studierende kostet im ersten Jahr damit 22.400 Euro. Das ist erheblich mehr als der Durchschnittswert der staatlichen Ausgaben für eine*n Studierenden im Jahr, der bei gut 10.000 Euro liegt – und zwar mehr als das Doppelte.