Rot-grün-rote Koalition in Bremen: Bürgermeister geht, R2G kommt

In Bremen haben sich SPD, Grüne und Linke auf die erste westdeutsche R2G-Landeskoalition geeinigt. Der bisherige Bürgermeister Sieling geht jedoch.

Zwei Frauen und ein Mann halten ein Schriftstück in der Hand und lächeln in die Kamera

Präsentation im T-Shirt: SpitzenpolitikerInnen von Grünen, SPD und Linke mit Koalitionsvertrag Foto: dpa

BREMEN taz | SPD, Grüne und Linkspartei in Bremen haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Wenn alle Parteigremien und die Mehrheit aller Mitglieder der Linken zustimmen, wird im August die erste rot-grün-rote Landesregierung in einem westdeutschen Bundesland gewählt. Damit darf die SPD trotz ihrer verheerenden Wahlniederlage im Mai zwar weiter den Bürgermeister stellen. Amtsinhaber Carsten Sieling indes ist am Montag überraschend zurückgetreten – noch ehe der bis 1.47 Uhr verhandelte Koalitionsvertrag der Presse vorgestellt wurde.

Er wolle auch „persönlich Verantwortung“ übernehmen für das schlechte Abschneiden seiner Partei bei der Landtagswahl, sagte Sieling. Die SPD hatte fast 8 Prozentpunkte verloren und das schlechteste Ergebnis seit über 70 Jahren eingefahren: Stärkste Fraktion im Parlament ist nun die CDU, deren Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder, als IT-Unternehmer ein Politikneuling, bei der Wahl mehr Personenstimmen bekommen hat als Sieling.

Er wolle „den Weg frei machen“ für einen „Neuaufbruch“, sagte der 60-Jährige. „Wir brauchen neuen Mut, zu gestalten, und auch personelle Signale, um das Vertrauen zu erneuern“, so Sieling, der bis 2015 Sprecher der Parlamentarischen Linken im Bundestag war. Dann hatte er das Amt des Bremer Bürgermeisters von Jens Böhrnsen übernommen, der 2015 in einer ähnlichen Situation – unmittelbar nach der verlorenen Bürgerschaftswahl – zurückgetreten war.

Sielings Nachfolger wird vermutlich der kürzlich fast einstimmig zum Fraktionschef gewählte frühere Landesvorsitzende Andreas Bovenschulte, zuletzt Bürgermeister einer Umlandgemeinde. Sieling wiederum will nun sein Mandat als Abgeordneter annehmen – und könnte seinerseits Bovenschulte als Fraktionschef beerben. Dieses Amt hatte er bis 2009 schon mal inne.

Autofreie Innenstadt

Das Klimaschutzabkommen von Paris soll die „Grundlage des Handelns dieser Koalition“ werden

Dass die SPD Bremen überhaupt weiter regieren darf, hat sie den Grünen zu verdanken. Die haben zwar sehr ernsthaft über eine Jamaika-Koalition nachgedacht, sich dann aber mit überwältigender Mehrheit dagegen entschieden. Ohnehin ist die grüne Basis hier seit Langem klar für ein solches Mitte-links-Bündnis, vor allem aber im Konflikt mit der FDP. Und auch die Basis der in Bremen als ausgesprochen pragmatisch geltenden Linkspartei votierte zuletzt klar für eine Koalition mit SPD und Grünen. Seit 2007 bildeten beide zusammen den Senat, doch war schon vor der Wahl absehbar, dass es nicht mehr für Rot-Grün reichen würde.

In der neuen Landesregierung stellt die SPD vier SenatorInnen, neben dem Bürgermeister den für Kultur, Inneres, Bildung sowie Häfen, Wissenschaft und Justiz. Die Grünen bekommen drei SenatorInnen – wie bisher die Ressorts Finanzen, Soziales sowie Bau und Umwelt. Die Linken dürfen zwei Senatorinnen benennen, für Wirtschaft und Arbeit sowie Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz.

Die Linke muss sich dafür von ihrer jahrelangen Kritik an der „Schuldenbremse“ verabschieden, die sowohl in der Landesverfassung als auch im Grundgesetz verankert ist. Für das hoch verschuldete Bundesland läuft gerade eine zwölfjährige Sanierungsphase aus: erstmals läuft die Schuldenuhr rückwärts.

Nun soll das Klimaschutzabkommen von Paris die „Grundlage des Handelns dieser Koalition in allen Politikbereichen“ werden. So zumindest steht es in der Präambel des 140-seitigen Koalitionsvertrags. In der Vergangenheit hatte Rot-Grün die selbst gesetzten Klimaziele deutlich verfehlt. Nun will man den örtlichen Energieversorger bei einem „frühzeitigen Kohleausstieg unterstützen“, die Rede ist von 2023. Außerdem soll die Bremer Innenstadt bis 2030 autofrei werden, statt Auto- soll es auch Radbrücken über die Weser geben. Erstmal nur „geprüft“ wird eine radikale Reform des öffentlichen Nahverkehrs.

Dafür sollen der Landesmindestlohn steigen und nach und nach die Pro-Kopf-Ausgaben für Schulbildung auf das Niveau der anderen Stadtstaaten angehoben werden, auch mehr Polizisten, Richter und Staatsanwälte soll es geben. Und 10.000 neue Wohnungen „für alle Zielgruppen“. Eingespart wird dafür das einstige Prestigeprojekt, ein 180 Millionen Euro teures Offshore-Windenergieterminal in Bremerhaven.

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