Unter Zugzwang

Logistikkonzern Kühne+Nagel muss sich im Prozess wegen möglicher Schmiergeldzahlungen bewegen

Von Gernot Knödler

In dem Prozess um mögliche Schmiergeldzahlungen zu Lasten einer fränkische Möbelfirma ist Kühne+Nagel unter Zugzwang geraten. Der weltweit tätige Logistik-Dienstleister mit Hauptsitz in der Hamburger Hafencity ist von dem Möbelimporteur Chromo auf die Zahlung von 95 Millionen Euro Schadenersatz verklagt worden. Zwar trägt im Zivilverfahren der Kläger die Beweislast, doch wegen der Eigenart des Schmiergeld-Vorwurfs hat das Hanseatische Oberlandesgericht den Anwalt Kühne+Nagels aufgefordert, Belege gegen den Korruptionsvorwurf beizubringen.

Chromo oder auch Chromex hat Ende der 90er/Anfang der 2000er im großen Stil Möbel aus Ostasien importiert, um sie in Europa zu verkaufen. Mit dem Transport beauftragte er Kühne+Nagel. Chromo wirft Kühne+Nagel vor, den damaligen Bevollmächtigten Chromos in Ostasien, Horst Kurhofer, bestochen zu haben, damit dieser nicht die Spedition wechselte. Diese Zahlung von insgesamt an die zwei Millionen hätten den Ausschlag für die Insolvenz des Unternehmens gegeben.

„Es ist unstrittig, dass an die Firma von Kurhofer erhebliche Beträge geflossen sind“, erinnerte der Vorsitzende Richter am Donnerstag im Prozess. „Streitig ist, was der Hintergrund ist.“ Kühne+Nagel bezichtigte zunächst den damaligen Chromex-Geschäftsführer Thomas Launer, das Geld eingesackt zu haben. Er habe es als Schwarzgeld für den Aufbau des Asiengeschäfts gebraucht, behauptete ein Zeuge. In einem Strafprozess Mitte der Nullerjahre gegen Launer ließ sich der Vorwurf nicht halten. Andere Kühne+Nagel-Mitarbeiter vermuteten, bei dem Geld könnte es sich um Boni, Rabatte oder Rückvergütungen gehandelt haben. Das Gericht äußerte allerdings Zweifel an der Aussage dieses Zeugen.

Am gestrigen Donnerstag schließlich sagte der ehemalige Exportmanager Kühne+Nagels für Seefracht in Hongkong aus, das Geld sei als Provision an den Chromo-Bevollmächtigten in Hongkong gezahlt worden. Chromo-Anwalt Reiner Fuellmich hält das für abwegig, schließlich sei Kurhofer ja Einkäufer, nicht Makler für Chromo gewesen.

Für Fuellmich handelt es sich um Schmiergeld – das sei durch die Aussagen zweier inzwischen verstorbener Zeugen in dem Strafverfahren gegen Launer deutlich geworden. Ließe sich das im laufenden Zivilprozess nachweisen, wären sämtliche damit angebahnten Geschäfte zwischen Kühne+Nagel und Chromo nichtig. Die Spedition müsste das Geld samt Zinsen zurückzahlen.

Wegen der Zweifel des Gerichts an der Aussage des Kühne+Nagel-Mitarbeiters, der behauptet hatte, bei den Zahlungen habe es sich um Boni oder Rabatte gehandelt, stellte das Gericht laut die Frage, ob Kühne+Nagel jetzt nicht eine sogenannte sekundäre Darlegungslast treffe. Das heißt, das die Beklagte ihre Position plausibel machen muss, obwohl sie im Zivilprozess nicht die Beweislast trägt. Diese Regel kann greifen, weil die Kläger zwar nachweisen müssen, dass Schmiergeld geflossen ist, das ist aber schwierig, weil das Schmiergeld ja im Verborgenen bezahlt wird, hinter dem Rücken, wie die Juristen sagen. Der Kühne+Nagel-Anwalt bat sich fünf Wochen Bedenkzeit aus.