Kommentar Ende Gelände und FFF: Sie stellen die Systemfrage

Solange Dörfer vernichtet werden, damit Konzerne Profite maximieren, werden die jungen Menschen keine Ruhe geben.

Viele Menschen mit bunten Plakaten und Transparenten auf einer Demo

Bunter Protest 21. Juni 2019 in Aachen Foto: dpa

Was für ein Erfolg für die Klimabewegung: Bis zu 40.000 Menschen auf den Straßen in Aachen und gut 6.000 Aktivist*innen, die sich über das Rheinland verteilt haben, um Aktionen zu starten, die alles andere als niedrigschwellig sind. Wer daran teilnehmen wollte, musste bereit sein, schwer bepackt mit Wanderrucksack und Schlafsack viele Kilometer zu Fuß zurückzu­legen und sich dabei selbst zu versorgen.

Wer es in den Tagebau oder auf ein anderes RWE-Grundstück schaffte, musste mit einer Strafanzeige rechnen oder, noch schlimmer, mit einer zivilrechtlichen Forderung durch den Energiekonzern. Das kann teuer werden. Bereits im Vorfeld hatte das Unternehmen einem Sprecher des Protestbündnisses Ende Gelände mit einer Forderung von 50.000 Euro gedroht. Doch der Einschüchterungsversuch lief ins Leere.

Dass so viele Menschen bereit sind, für ihr politisches Anliegen die Grenzen des Legalen zu übertreten, liegt auch daran, dass das Thema Klimagerechtigkeit aktuell Hochkonjunktur hat. Viele junge Menschen haben sich in den vergangenen Monaten der weltweiten Klimabewegung, die kein junges Phänomen ist, angeschlossen. Viele werden sich durch die Erfahrung im Rheinland weiter politisieren.

Nicht nur die Bewegung ändert sich durch den Zustrom der Jungen. Auch ihre Positionen, die in der gesellschaftlichen Mitte angenommen werden, haben sich verändert: Wenn brave Schülerinnen und Schüler heute von einem „Systemwandel statt Klimawandel“ sprechen, wenn sie also die Frage der Ressourcenverteilung stellen, dann hat dies ein anderes Gewicht, als wenn die altbekannten linksradikalen Anarchos das Gleiche sagen. „Wir müssen über den Kapitalismus reden“, formulieren die Schüler*innen heute. Es sind viele. Sie werden bleiben.

Einfache Fragen

In Zeiten des gesellschaftlichen Rechtsrucks und eines immer autoritärer werdenden Staates, der die Bürgerrechte stückchenweise abbaut, ist das ein wichtiges, ein progressives Gegengewicht. Was die aktionserfahrene und mittlerweile hochprofessionell organisierte linke Bewegung in vielen Jahren nicht geschafft hat, schafften die Schü­le­r*innen in kürzester Zeit: Sie tragen Forderungen, die einst als „linksradikal“ galten, in die gesellschaftliche Mitte.

Das kann auch damit zusammenhängen, dass diese Forderungen gar nicht so „linksradikal“ sind. Im Gegenteil: Es liegen ihr einfache Fragen zugrunde, die jeder beantworten können sollte, der über das Morgen nachdenkt. Wie bewahren wir eine Welt, in der wir auch morgen noch leben wollen und können? Dass diese Frage nicht mehr von der Tagesordnung verschwinden wird, hat dieses Wochenende gezeigt. Die deutsche Bundesregierung sollte darauf sehr schnell eine Antwort entwickeln. Solange Dörfer vernichtet werden, damit Energiekonzerne ihre Profite maximieren können, werden die jungen Menschen keine Ruhe geben.

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Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.

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