Kommentar von Dorothea Hahn zur Eskalation zwischen den USA und Iran
: Beide meinen Europa

Nach ein paar Tankern hat es jetzt also eine US-amerikanische Drohne getroffen. Das ist teuer. Aber letztlich ist es nichts weiter als ein Sachschaden. Selbst Donald Trump hat noch vor wenigen Tagen gesagt, die Tanker wären ein „kleineres“ Problem.

Die Welt könnte sich jetzt in Ermittlungen stürzen, versuchen herauszufinden, wer dieses Mal schuld war, und irgendwann Namen, Orte und Chronologien nennen.

Doch ein solches Vorgehen verlangt Zeit. Und die ist in der gegenwärtigen Situation Luxus. Die Eskalationsspirale zwischen Washington und Teheran dreht sich immer schneller und jeder Funke, jedes falsche Wort und jedes technische Problem können einen neuen Krieg am Golf auslösen.

Was die Sache zusätzlich erschwert, ist der Charakter der beiden Spitzenfiguren in der gefährlichen Gemengelage. Beide Männer, Donald Trump und Ajatollah Chamenei, verdienen größtmögliches Misstrauen. Beide sind in ihren Hauptstädten mit widerstrebenden Kräften konfrontiert. Und beide fürchten um ihr eigenes politisches Überleben, sollten sie in diesem Konflikt „das Falsche“ tun.

Trump, der einst behauptet hat, mit ihm wäre die Ära des „Regime Change“ zu Ende, hat mit Michael Pompeo, seinem Außenminister, und mit John Bolton Männer an außenpolitische Spitzenpositionen geholt, die einen Sturz des Regimes im Iran anstreben. Während Trump den Konflikt mit Iran innenpolitisch nutzt, um den starken Mann zu markieren, jonglieren sein Außenminister und sein Sicherheitsberater mit Krieg.

Teherans Logik ist einfacher. Seit Washington das Atomabkommen mit Iran aufgekündigt hat und wieder zu massiven Sanktionen gegen den Iran übergegangen ist, leiden das Land und seine Bevölkerung immer mehr. Es hat die größten Teile seiner Erdölexporte eingebüßt, seine Wirtschaft schrumpft in fast allen Bereichen dramatisch.

In einem Moment, wo kleinteilige Ermittlungen über Tanker und Drohnenattacken längs des meistbefahrenen Öltransportwegs der Welt zwar dringend nötig, aber zugleich ein Luxus sind, muss die EU endlich verstehen, dass beide Konfliktseiten nicht nur einander meinen, sondern auch Europa. Trump will von der EU Gefolgschaft in seinem zerstörerischen Wirtschaftskrieg gegen den Iran erzwingen. Der Iran ist darauf angewiesen, dass die EU ihre Zusammenarbeit mit ihm intensiviert.

Die EU ist also längst kein Zaungast mehr. Sie ist im Visier beider Seiten. Und die europäischen Unterzeichner des Iran-Abkommens sind in der Pflicht. Weder aus Teheran noch aus Washington ist eine friedliche Lösung zu erwarten.

Die japanische Spitze ist mit dem Versuch, Verhandlungen anzubahnen, gescheitert. Es ist allerhöchste Zeit, dass Angela Merkel und Emmanuel Macron endlich ihren Mut zusammennehmen und mit der Anbahnung von Gesprächen zeigen, dass sie das Iran-Abkommen ernst nehmen.