Mordpläne im Wandelsaal

Auf den ersten Blick sieht im dänischen Thriller „Verachtung“ alles so aus, als sei die Geschichte in Kopenhagen gedreht. Tatsächlich sind die meisten Szenen der Jussi-Adler-Olsen-Verfilmung in Norddeutschland entstanden

Spielt in Dänemark, wurde aber in Norddeutschland gedreht: „Verachtung“ Foto: Henrik Ohsten

Von Wilfried Hippen

Er wirkt, als wäre er in Dänemark gedreht worden. Der Thriller „Verachtung“, die vierte Verfilmung eines Thrillers von Jussi Adler-Olsen, spielt in Dänemark, die Außenaufnahmen etablieren die Handlungsorte dort und natürlich spricht jeder im Film, zumindest in der Originalfassung, Dänisch. Aber nur das Nötige wurde dort gedreht, nämlich eben diese Aufnahmen von dänischen Straßen, Gebäuden und Landschaften.

„Establishing Shots“ nennt man solche Einstellungen, meist sind es Totalen, oft von Orten mit hohem Wiedererkennungswert. Zwischen zwei Einstellungen liegen so oft viele Wochen und Hunderte von Kilometern.

In „Verachtung“ ist einer der wichtigsten Handlungsorte ein Krankenhaus in Kopenhagen. Produzent Fabian Gasmia spricht bezüglich des Krankenhauses gar vom „heimlichen Hauptdarsteller“ des Films, denn dort entfaltet sich das hochdramatische Finale: Verbrechen werden geplant, im Behandlungszimmer fallen Schüsse, jemand stürzt tief in einen Wandelsaal. Gedreht wurde all das im futuristischen Libeskind-Bau der Leuphana-Universität in Lüneburg. Gedreht wurde auch in Hamburg, Geesthacht und auf Fehmarn.

Verfilmungen von Thrillern von Jussi Adler-Olsen sind sowohl in Dänemark als auch in Deutschland sehr erfolgreich. Der deutsche Markt ist für solch einen Film aber viel bedeutender. Im Kino und vor allem vor dem Bildschirm im Wohnzimmer: Krimis aus Skandinavien sind beliebt.

Das ZDF hat den Film mitproduziert, er wurde mit Fördermitteln aus vielen deutschen Töpfen finanziert, darunter die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein GmbH und die Nordmedia − Film- und Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen.

Solche Fördergelder müssen möglichst in den Geberländern ausgegeben werden. Oft werden einzelne Arbeitsschritte dort in Auftrag gegeben, etwa für die Postproduktion, Musik oder die Tonbearbeitung. Deutsche Darsteller haben aus diesem Grund manchmal Gastauftritte in skandinavischen Produktionen. So spielten etwa Ottfried Fischer und Hanns Zischler in der schwedischen Serie „Kommissar Beck“ mit.

Die dänische Produktionsfirma Zentropa, einst von Lars von Trier gegründet, hat eine Filiale in Hamburg, deren Geschäftsführer Fabian Gasmia ist. Unter dessen Federführung wurde der Film zum größten Teil in Norddeutschland gedreht. Die 80-köpfige Filmcrew war etwa zu gleichen Teilen mit deutschen und dänischen Teammitgliedern besetzt.

Der deutsche Markt ist für solch einen Film viel bedeutender als sein Handlungs- und Ursprungsort Dänemark

Ein Grund dafür, warum gerade in Lüneburg so viel gedreht wurde, ist die Infrastruktur der Stadt. Dort wird seit 2006 die Telenovela „Rote Rosen“ gedreht. Inzwischen gibt es 2.800 Folgen. Die Produktionsfirma heißt „Studio Hamburg Serienwerft“, Lüneburg ist über die Jahre eine kleine Film- oder zumindest Fernsehstadt geworden: mit Touristen, die die Stadt besuchen, um die Handlungsorte zu besichtigen, vor allem aber Filmhandwerkern, die sich dort angesiedelt haben, weil die Stadt inzwischen ein Medienstandort ist. So hat etwa die Filmtonproduktionsfirma Chaussee Soundvision ihren Hauptsitz und ihre Studios in Lüneburg.

Die Dreharbeiten fanden im Februar 2018 statt. Dass dabei mitunter auch mal ein Malheur passiert, erzählt Gasmia. Eine Actionszene mit einem brennenden Auto wurde auf einem Teil der Autobahn zwischen Lüneburg und Hamburg gedreht. Als das Auto brannte und alle Aufnahmen im Kasten waren, konnte die Feuerwehr es nicht sofort löschen, weil das Wasser in den Schläuchen gefroren war. Ein großes Brandloch in der Autobahn musste aus dem Budget des Films bezahlt werden.

Herausgekommen ist ein solide gebauter Thriller. Einerseits ein Märchen für Erwachsene, in dem die Ermittler Carl Morck und Assad nach einem Anschlag fasst in ihrem Auto verbrennen, aber ein paar Minuten später sauber und ohne einen Kratzer am Tatort erscheinen. Zum anderen ist alles mit in skandinavischen Krimis üblichen sozialem Realismus getränkt.

Im Kino ab heute, u .a.:20 + 22.45 Uhr, UCI Mundsburg, Hamburg; 19.30 + 23 Uhr, Cinemaxx Kiel; 17 + 21.30 Uhr, Cineplex Elmshorn