Den Ohren ruhig mal trauen

Wieder mal ganz knapp am Pop vorbeigeträllert: Elliott Sharp und David Rothenberg mit Vogelgezwitscher im Exploratorium

Von Thomas Mauch

Erfolgreich, ja. Das muss man nicht gleich in verkaufte Platteneinheiten umrechnen. In Anlehnung an einen Satz von Salvador Dalí („Der Unterschied zwischen mir und einem Verrückten besteht darin, dass ich nicht verrückt bin“) bekannte Elliott Sharp irgendwann an diesem Abend im Exploratorium, das Einzige, was ihn von Pop unterscheide, sei, dass seine Musik eben nicht populär ist.

Tatsächlich hatte Sharp im Laufe seiner recht langen Karriere noch nie einen Eintrag in der Hitparade. An Einfluss aber kann es der Multiinstrumentalist mit besonderer Neigung zur Gitarre allemal mit zum Beispiel Fleetwood Mac aufnehmen, die sich bestenfalls als role model für pfiffigen Mainstreamrock präsentierten, während Sharp – neben John Zorn der andere Großkopferte der fröhlich experimentierenden New Yorker Downtown-Szene – mit seinem Spiel seit den Achtzigern doch irgendwie jeden Musiker, jede Musikerin angeregt und beeinflusst haben sollte, alle, die mehr wollen mit ihrer Musik, als nur in die Hitparade zu kommen.

Warum der Vergleich mit Fleetwood Mac? Am Donnerstag spielten Fleetwood Mac in der Waldbühne (mehr dazu auf der Seite nebenan), Sharp hingegen gastierte im eher kleinformatigen Exploratorium in Kreuzberg, zusammen mit dem Klarinettisten David Rothenberg. Die beiden spielten sehr kurze und sehr unterhaltsame Impro-Einheiten, mal zusammen, mal allein.

Sharp switchte entspannt zwischen Blues, Jazzgitarre, Geräuschmusik und führte dazu die ganzen Tricks und Techniken aus dem Handapparat des improvisatorischen Gitarrenspiels vor. Rothenberg suchte weniger den experimentellen Zugriff und zeigte sich mehr interessiert an einer musikalischen Erzählung.

Als Rothenberg noch als dritte Stimme Aufnahmen mit Vogelgezwitscher zuspielte, wurde das auch optisch anregend, weil Rothenberg, Professor für Philosophie und Musik am New Jersey Institute of Technology, dieses Trällern und Pfeifen mimetisch nacharbeitete und mit seinem zuckenden und rhythmisch bebenden Körper zeigte, dass da was im Spiel war, das ihn tatsächlich anging und berührte.

Rothenberg, der wie Sharp einige Zeit in Berlin gelebt hat, hat ein besonderes Interesse an den Klängen von Tieren, er musiziert auch gern mit ihnen. In Berlin hat er das mit Nachtigallen gemacht und ein Buch geschrieben, „Nightingales in Berlin“, das gerade erschienen ist und das er nach der Konzert­runde im Exploratorium vorstellte, wo auch Elliott Sharp was zum Lesen zu bieten hatte: sein gleichfalls ganz frisches, autobiografisch angelegtes Buch, das man als Anregung nehmen darf, sich in die Vielfalt von Musik zu vertiefen. „IrRational“ ist der Titel. Was eher nichts Irrationales anzeigen soll. Mehr wohl, dass man den Ohren ruhig trauen darf.

Elliott Sharp am Sa. mit Magda Mayas + Hilary Jeffery im KM28, Karl-Marx-Str. 28, 20 Uhr