BERLIN UND DIE SIEBEN BERGEBonustrack
MÖRDERBERG – Der Berg, den es nicht gab

Blankenburg. Ich verlasse die S-Bahn und nehme den 154er Bus. Der fünfte Halt heißt Mörderberg. Ich steige aus und biege den nächsten Weg nach rechts ein. Hier muss es sein. Fast 57 Meter hoch ist der Mörderberg – den müsste ich doch schon sehen.

Es ist heiß. Kein Mensch weit und breit. Ich laufe weiter und höre einen Motor knattern. Schnell hin, da ist Leben. Doch wo bin ich hier? Königskinder-, Reineke-Fuchs- und Rübezahlweg. Ich bin im Märchenland.

„Ich suche den Mörderberg, schreie ich über den Gartenzaun, dem mit einem Ungetüm von Rasenmäher kämpfenden dicken Mann zu. „Mörderberg? Wo soll der sein?“ „Na hier“, schreie ich zurück. „Dit wüsst ick aber, wenn hier een Berg wäre. Meene Familie hat hier seit 1939 den Jarten.“ „Einen Marderberg solls hier irgendwo geben, hat mir wer erzählt“, sagt die Unkraut zupfende Frau vom Nachbargrundstück. Ich verlasse das Märchenland und gehe über den Nachtalbenweg zurück Richtung Hauptstraße.

High Noon. Von Westen kommt Gary Cooper angeritten. Ach, nein, das Hitzeflimmern hat mich getäuscht. Es ist ein Radfahrer, an seiner Seite ein Schäferhund. Ich frage ihn nach dem Mörderberg. „Nee, nicht Mörderberg. Modderberg, wegen dem morastig-feuchten Boden heißt der so. Das ist genau hier, wo wir stehn, wo der Nachtalbenweg den Hundeweg kreuzt. Merken Sie‘s nicht? Es geht ein ganz klein wenig bergauf.“ „Der heißt Hundeweg?“ „Der Weg hat eigentlich keinen Namen. So wird er genannt, weil hier viele Hundebesitzer spazieren gehn.“„Aber wieso heißt die Busstation dann Mörderberg?“ „Schätze wegen den alten Polizeikasernen am Pflasterweg.“

So ziehe ich von dannen, den Hundeweg entlang. Links und rechts des Pfades entdecke ich endlich Berge, mal groß, mal klein. Na ja, Haufen wäre wohl das passendere Wort.

Die Fotografin Karoline Bofinger ist Ur-Berlinerin. Für sie ist der einzig wahre Berg der Prenzlauer Berg.

Von Fred Hüning