Schön
am
Boden
bleiben

Gefühlt verzichten immer mehr HauptstädterInnen aufs Fliegen. Doch statistisch lässt sich eine relevante Veränderung der Reisegewohnheiten durch die Fridays-for-Future-Bewegung nicht belegen

Na klar, Urlaub geht auch ohne Flugzeug Foto: Sturti/getty

Von Claudius Prößer

Sommer, Sonne, Flugzeug – für viele BerlinerInnen ein erprobter Urlaubsdreiklang. Dank verboten günstiger Verbindungen, die nicht nur Billig-Airlines anbieten, denken viele kaum noch an die Möglichkeit, ihr Ziel erdbodennah zu erreichen. Selbst wenn es gleich in der europäischen Nachbarschaft liegt.

Aber stopp! Haben nicht Tausende schulstreikende Jugendliche einen Bewusstseinswandel herbeidemonstriert? Ist nicht „Flugscham“ das Wort der Stunde? Und müsste sich die neue Nachhaltigkeit nicht im Vorfeld der Sommerferien im Buchungsverhalten der HauptstädterInnen widerspiegeln?

Tatsächlich begegnet man derzeit immer wieder Menschen, die – durchaus mit gemischten Gefühlen – von geplanten oder bereits erlebten Bahn-Trips ins Ausland berichten. So wie unsere Kollegin Plutonia Plarre, die es kürzlich per Schiene bis Madrid geschafft hat (Seite 44). Oder Gaby Coldewey, die in der taz die Reisen in die Zivilgesellschaft mitorganisiert: „Diesen Sommer fahren mein Sohn und ich mit der Bahn nach Litauen“, berichtet sie, „er wollte auf keinen Fall fliegen, um unseren ökologischen Fußabdruck schön klein zu halten.“ Allerdings sei die Reise nach Vilnius alles andere als unkompliziert: „Das Nadelöhr liegt zwischen Białystok und Kaunas, da fahren nur am Wochenende Züge.“ Zurück gehe es dann mit der Fähre.

Viel schwieriger ist es herauszufinden, ob es auch eine statistisch relevante Veränderung der Reisegewohnheiten gibt. Weder die DB AG noch Flixbus können konkrete Zahlen nennen, aus denen sich ein Fridays-for-Future-Knick ablesen ließe. Grundsätzlich ist man bei beiden Unternehmen sehr zufrieden: Laut Bahnsprecher Burkhard Ahlert gab es einen Buchungs-Peak zu Pfingsten, und auch die Züge an die Ost- und Nordsee oder in Richtung Alpen würden jetzt stark frequentiert.

Bei Flixbus ist die Rede von einem „stetigen Zuwachs“, immer mehr Menschen entschieden sich „für das nachhaltige Verkehrsmittel Fernbus“, so Sprecher Sebastian Meyer. Er weist darauf hin, dass KundInnen die Möglichkeit haben, ihre CO2-Emissionen über die Organisation atmosfair auszugleichen. Was im Übrigen seit diesem Jahr bei den taz-Reisen fester Preisbestandteil ist.

Veit Dieterich arbeitet beim Reisebüro „Kopfbahnhof“ in der Yorckstraße, das auf länderübergreifende Bahnreisen spezialisiert ist. Er hat durchaus den Eindruck, dass das Interesse an solchen Verbindungen in der letzten Zeit steigt. Was aber auch daran liegt, dass es mit dem „Nightjet“ des ÖBB wieder mehr Nachtverbindungen auf der Schiene gibt – die DB hatte sie bis zur Abgabe der Sparte an die Österreicher immer mehr abgebaut. „Seit Ende letzten Jahres kann man mit dem Nachtzug nach Wien, Budapest und Krakau fahren“, so Dieterich, „das ist eine deutliche Verbesserung.“ Über Freiburg gehe es im Schlaf auch direkt in die Schweiz. „Was fehlt, sind Verbindungen nach Westen. Da fährt zurzeit nur ein russischer Nachtzug, der sehr teuer ist, das ist nur etwas für Liebhaber.“

Auf der anderen Seite wird mitnichten weniger geflogen als vergangenes Jahr: Die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) kalkuliert aufgrund der bestehenden Slotbelegungen und Maschinenklassen mit mehr als 5 Millionen Passagieren, die zwischen dem 20. Juni und dem 2. August starten und landen. 2018 waren es noch 4,9 Millionen.

„Weil die Ferien diesmal so früh liegen, verteilt sich das Flugaufkommen aber anders“, erklärt Sprecher Hannes Hönemann, „in den ersten zwei Ferienwochen ist es etwas weniger, dafür erwarten wir den Spitzenwert am 5. Juli mit über 120.000 Passagieren in Schönefeld und Tegel.“

Mit dem Zug nach Madrid 44

Interview mit Fridays-for-Future-Aktivistin 45