Stadtverunstaltung in Bosnien: Parkhaus statt Park in Sarajevo

Ein geplanter Neubau im historischen Zentrum stößt auf Widerstand. Dem von Saudis finanzierten Projekt sollen Grünflächen weichen.

Stadtansicht von Sarajevo

Blick auf Sarajevo: Noch gibt es ein wenig Grün in der Stadt Foto: Wikimedia / Julian Nitzsche / CC BY-SA 4.0

SARAJEVO taz | Es ist ein spektakulärer Ort in der Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina: das alte Rathaus von Sarajevo, die Vijećnica. Sie soll gegenüber auf der anderen Seite des Miljacka-Flusses ein Pendant erhalten. Wo sich vor Kurzem noch ein kleiner und hübscher Park mit alten Bäumen befand, gähnt ein riesiges Loch. Hier soll nach dem Willen der Stadtverwaltung ein Parkhaus entstehen.

Als Finanzier des Parkhauses am Rande der historischen Altstadt Baščaršija firmiert der „Saudische Entwicklungsfonds“. „Ein Parkhaus gegenüber diesem historischen Gebäude, was ist denn das?“, fragt Meho Aličehajić und schüttelt den Kopf.

Der Mittachtziger hat schon zwei Kriege überlebt, war im Zweiten Weltkrieg Laufbursche für die Partisanen und überlebte den Krieg in den 90er Jahren in seiner Wohnung nicht weit von hier entfernt. „Ich habe ja schon vieles ertragen, aber so was?“

Der Park habe sogar den letzten Krieg überstanden und sei einer der wenigen grünen Flecken in diesem Teil der Stadt gewesen. Er deutet auf das Rathaus. Während der österreichischen Zeit Ende des 19. Jahrhunderts im neomaurischen Stil erbaut, ist das Gebäude zu einem Wahrzeichen Sarajevos geworden.

Inspiration in Ägypten

Die Österreicher wollten den bosnischen Muslimen entgegenkommen und meinten, das Rathaus in einem „muslimischen Stil“ errichten zu müssen. Sie schickten zwei Architekten nach Ägypten und die ließen sich von der dortigen Architektur inspirieren.

Überliefert ist, dass die Bewohner Sarajevos sich die Augen rieben und über die Österreicher lachten. „Mit dem bosnischen Baustil hatte das neomaurische Gebäude nichts zu tun“, schmunzelt Meho. „Aber die Leute aus Sarajevo erkannten die gute Absicht der Österreicher und bis heute haben alle das Gebäude ins Herz geschlossen“.

Im sozialistischen Jugoslawien wurde die Vijećnica zur Staatsbibliothek umgewandelt. Im letzten Krieg wurde sie Ziel schwerer Bombardements. Im Juli 1992 zerfetzte serbische Artillerie die Außenwände und setzte die gesamte Bibliothek in Brand. Fast zwei Millionen Bände gingen verloren, Schriften aus der osmanischen Zeit, „das kollektive Gedächtnis unseres Landes“, sagt Meho.

Erst in den vergangenen Jahren mit Spendengeldern und großzügiger Unterstützung aus Österreich wieder aufgebaut und restauriert, dient es jetzt repräsentativen Zwecken der Stadtregierung.

Luft zum Schneiden

Und jetzt dieser Neubau gegenüber. „Die Saudis wollen wohl für ihre SUVs Parkplätze schaffen, um dann mit ihren Frauen in der Altstadt spazieren zu gehen“, sagt Amela, die hier täglich ihren Hund ausführt, um weiter flussaufwärts in das Naturschutzgebiet zu gelangen. Ein letztes zu Fuß erreichbares Stückchen Natur mit frischer Luft.

Denn in dem in einem Talkessel liegenden Sarajevo ist vor allem im Winter wegen der Inversionswetterlage die Luft zum Schneiden. Die Urbanistin Nasiha Pozder kann es kaum fassen, dass der Park zerstört worden ist.

Anstatt zu überlegen, wie man den Verkehr aus der Innenstadt verlegen und Hauswände und Baulücken begrünen kann, wird etwas gebaut, was weiteren Verkehr anzieht. „Auf jeden Bewohner Sarajevos kommt jetzt nur noch drei Quadratmeter Grün, 20 sollten es mindestens sein“, schreibt sie in der Zeitung Oslobođjenje.

Der 70-jährige Irfan muss auf Geheiß seines Arztes jeden Tag entlang des Flusses hin zur vier Kilometer entfernten Ziegenbrücke gehen, die mit einem kühnen Bogen den Fluss überquert. „Komm, ich zeig dir was“, sagt er.

Schutz für Kleingetier

Nach einer Wegbiegung auf halber Strecke wird ein 150 mal 30 Meter großes Geröllfeld erreicht. Riesige Laster bringen den Schutt aus dem Bauloch für die Parkgarage hierher, wo noch vor wenigen Tagen meterhohes Schilfgras zwischen jungen Laubbäumchen Vögeln und Kleingetier Schutz bot.

„Angeblich soll hier ein Spielplatz entstehen“, sagt Irfan, der im Gemeinderat der Altstadt sitzt, aber hier würden wohl Cafés und Restaurants gebaut. „Ich habe nicht herausgefunden, wer dafür verantwortlich ist. Da geht es um viel Geld.“ Langsam rege sich Widerstand, sagt Nasiha von der nichtnationalistischen Partei Naša Stranka, die seit den letzten Wahlen die Mehrheit in Sarajevo hat. Für das Parkhaus kommt der Protest zu spät. Viel zu viel Grün ist schon kaputt, darin sind sich alle einig.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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