Trumps Wiederwahl

Viel Repräsentation, wenig Theater: Autor und Regisseur Yony Leyser eröffnete mit seinem Stück „W(a)rm Holes“ die Queer Week am Maxim Gorki Theater

Von René Hamann

Nebel, Stimmen, Nachrichten, Techno. Ein durchlässiger, gewellter Vorhang aus weißen Bändern hängt auf der Bühne. Irgendwann erscheint ein Tänzer, Jair Luna, allmählich entsteht eine Art Clubatmo im Raum, bis dann die anderen dazustoßen. Die Musik wird leiser, Stehmikrofone laden zu kleinen Monologen ein, die Geschichten von Ankunft und Ursprung, von Identitäten jenseits gängiger Zuschreibungen, von Krankheit und Erwartung erzählen. „W(a)rm Holes“ fächert in der Folge so etwas wie eine schwul-lesbisch-queere etc. Geschichte auf; eine Geschichte die bis zur Gegenwart führt und darüber hinaus.

Yony Leyser, Jahrgang 1985, ist ein noch verhältnismäßig junger Regisseur. „W(a)rm Holes“ ist nach drei Filmen seine erste Theaterarbeit. Die Premiere am Donnerstag im StudioЯdes Maxim Gorki Theaters, kurz nach den reinigenden Gewittern, eröffnete gleichzeitig die „Queer Week“, die in diesem Jahr unter dem Motto „Pugs in Love“ steht und noch bis Samstag läuft. Doch trotz seines Alters bringt Leyser im Stück nicht nur Berliner Geschichte (Stichworte: David Bowie, Transitstrecke, Hundekacke), sondern die Aids-Krise der achtziger Jahre zur Sprache; eine besondere Phase der Trauer, Resignation, der allgemeinen Todesnähe in schwulen wie in nichtschwulen Zusammenhängen.

Überhaupt zeigen Leysers Filme in ihren Titeln schon die ganze Programmatik seines Ansatzes. Nach einem Film über den Schriftsteller William S. Burroughs hießen die nächsten „Desire Will Set You Free“ und „Queercore: Liberation is my Lover“. Auch in „W(a)rm Holes“ geht es viel um die Frage von Identität und Freiheit. Das Quintett auf der Bühne, neben Jair Luna waren das Adrian Marie Blount, Mad Kat und Adrienne Teicher als Hyenaz, sowie Zazie de Paris, wechselt sich mit Biografieschnipseln, Krankheits- und Liebesgeschichten ab, die divers genug und nicht immer eindeutig zuordenbar waren, bevor dann wieder eine Musik, eine Tanzeinlage oder eine Performance folgte. Alles leider immer etwas nah am Klischee. „Somewhere over the Rainbow“, Ficken 3000, Techno, viel Haut, viel Kostüm.

Die einzelnen Szenen folgten etwas unmotiviert aufeinander, so etwas wie Kohärenz oder Spannung wollte sich nicht so recht ergeben, im Wesentlichen bestand die gute Stunde aus Darstellung und der auch in den dunkleren Momenten gesuchten Einbettung in die Community, aus der sich der Großteil des Publikums rekrutierte. Selbstvergewisserung. Harmonie ist eine Strategie. Na ja, nicht unbedingt eine Überraschung, das Ganze, könnte man sagen. Was hat man erwartet vom Eröffnungsabend einer „Queer Week“ am Gorki, das seit der Intendanz von Shermin Langhoff hauptsächlich in queeren und migrantischen Kontexten operiert.

Viel Repräsentation, wenig Theater also. Interessanter wäre es, so eine Selbstvergewisserungsshow einmal in einen nicht ausgewiesen queeren Kontext zu stellen. So blieb es Karneval im erwartbaren Rahmen, Identitätsfindung durch Performance. Am Ende immerhin kamen die Nachrichtenstimmen zurück, diesmal aus der Zukunft – von Trumps Wiederwahl 2020 war da die Rede, von Cyborgs, dem Ende der Menschheit oder dem ersten schwulen Diktator in Norwegen. „Post-Nothing, Pre-Everything“, das wäre doch auch ein schönes Motto gewesen.