Kommentar Jüdisches Museum und BDS: Doppelte Standards

Bei der Posse um einen Tweet des Jüdischen Museums Berlin zu einem taz-Text geht es um die Frage: Wer darf entscheiden, was antisemitisch ist?

Das Jüdische Museum in Berlin

Versucht, Vielfalt abzubilden: das Jüdische Museum in Berlin Foto: dpa

Bei Diskriminierung geht’s immer auch ein bisschen darum, wer spricht. Nicht die Mehrheitsgesellschaft, sondern Betroffene entscheiden, was sie betrifft. Klingt banal, ist es aber, wenn es um israelbezogenen Antisemitismus in Deutschland geht, nicht. Das zeigt sich derzeit an der Posse um das Jüdische Museum Berlin und der Frage, ob BDS antisemitisch ist. Beides hängt gerade irgendwie zusammen.

Wie? 240 Juden und Israelis kritisieren den Beschluss des Bundestags, der BDS als antisemitisch einstuft. Die taz berichtet darüber, das Jüdische Museum empfiehlt den taz-Text auf Twitter, was wiederum der Zentralrat der Juden als „indirekte Unterstützung für die antisemitische BDS-Bewegung“ empfindet.

Verwirrend? Im Kern ist es einfach, es geht um die Frage, wer entscheiden darf, was antisemitisch ist. Weil das in Deutschland aber ein bisschen heikler ist, als zu entscheiden, wer oder was rassistisch ist, ist es immer angenehm, wenn sich Juden finden, die die eigene, scharf israelkritische Haltung vom Verdacht des Antisemitismus freisprechen.

Heißt das, Deutsche dürfen Israels Politik gar nicht kritisieren? Ach, also bitte! Die Frage ist doch eher, warum viele Deutsche hierbei eine Besessenheit und Strenge an den Tag legen, die sie gegenüber tatsächlichen Unrechtsstaaten vermissen lassen. In allen anderen Diskursen ist es inzwischen üblich, auch die Stimmen von Betroffenen in all ihrer Vielfalt zu hören. Bei Musliminnen, die stolz ihr Kopftuch tragen, und solchen, die es als Zeichen der Unterdrückung ablehnen etwa. „Gute“ Juden aber sollen nur die sein, die antizionistisch oder „israelkritisch“ sind?

Das Jüdische Museum versucht, und das ist ja auch in Ordnung, Vielfalt abzubilden, es zeigte in seiner „Jerusalem“-Ausstellung etwa auch die palästinensische Sicht auf die Stadt. Oder überwiegend. Jedenfalls in einer Art, die nicht nur Juden und jüdische Organisationen als stark verzerrend empfanden. Es scheint mit manchen Erwartungen an das Museum zu sein wie mit denen an Israel – es soll ein (sicherer) Ort des Jüdischen sein, aber bitte zugleich alle Interessen der Palästinenser ebenbürtig berücksichtigen. Klingt in der Theorie ja ganz gut, aber wie bitte soll das angesichts von Terror, Raketen und der BDS-Forderung nach einem Rückkehrrecht für alle Vertriebenen samt ihren Kindeskindern gehen?

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