Kanzler Kurz ziehtden Kürzeren

Es war das erste erfolgreiche Misstrauensvotum in der österreichischen Geschichte: Am Montag stürzten SPÖ und FPÖ die gesamte Regierung

Aus Wien Ralf Leonhard

Österreich hat seine Regierung verloren. Sebastian Kurz beobachtete mit steinerner Miene, wie die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures am Montag um 16:15 seine Absetzung als Bundeskanzler verkündete. Mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt wurde ihm im Nationalrat das Misstrauen ausgesprochen. Erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik wurde damit ein Misstrauensantrag gegen ein Regierungsmitglied angenommen.

Ausgelöst wurde die Krise vor über einer Woche durch die Veröffentlichung eines heimlich aufgenommenen Videos. Auf dem ist der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu sehen, wie er einer vermeintlichen russischen Oligarchin unter anderem Staatsaufträge in Aussicht stellt, wenn sie seine Partei sponsert.

Es folgte Straches Rücktritt, danach beantragte Bundeskanzler Kurz beim Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen auch die Entlassung von Innenminister Herbert Kickl. Mit ihm traten auch die anderen FPÖ-Kabinettsmitglieder zurück und Kurz rief Neuwahlen aus, die im September stattfinden sollen. Die vakanten Posten füllte er mit Technokraten, die fast alle seiner Partei nahestehen.

Für die Sondersitzung des Nationalrates am Montag waren zwei Misstrauensanträge angekündigt, einer von der Liste Jetzt gegen den Bundeskanzler und ein zweiter von der SPÖ gegen die gesamte Regierung. Begründung: der Bundeskanzler habe in der Krise das Parlament nicht einbezogen und allein eine ÖVP-Minderheitsregierung installiert.

Kurz hatte bei der Bestellung der Interimsminister die Opposition nicht konsultiert und ihnen Kabinettschefs aus seinem politischen Umfeld an die Seite gestellt. SPÖ-Chefin sprach vor dem Einbringen des Misstrauensantrags von einem „schamlosen, zügellosen und verantwortungslosen Griff nach der Macht“. FPÖ-Fraktionschef Herbert Kickl, vor wenigen Tagen noch Innenminister, sprach von Sippenhaft, in die Kurz die ganze Partei nach dem „Fehlverhalten von zwei Personen“ genommen habe.

Der Kanzler selbst sieht sich als Opfer der „Rachegelüste“ der SPÖ und deren Versuch, sich für die Wahlen im Herbst eine bessere Ausgangsposition zu verschaffen.

Jetzt ist der Bundespräsident am Zug. Laut Verfassung hat er „unverzüglich“ eine geschäftsführende Regierung zu bestellen. Das heißt, er wird wohl im Laufe des Dienstags eine Person seines Vertrauens mit der Regierungsbildung beauftragen. Das Kabinett wird dann vermutlich aus hochrangigen Beamten bestehen. Es muss sich dann einer Vertrauensabstimmung im Parlament stellen.