Antifolk-Musiker Toby Goodshank: Erst mal alles umarmen

Charmant und verdorben zugleich: Der New Yorker Antifolk-Held Toby Goodshank ist auf Tour. Zudem wird altes Material wieder veröffentlicht.

Toby Goodshank springt in einem Zimmer in die Höhe, er hat rote Augen, es ist draußen dunkel

Energie bis zum Umfallen: Toby Goodshank Foto: Rachelyn Remz//tootired2flirt

Mit einem ausgesprochenen Desinteresse an den bewährten Aufmerksamkeitsbeschaffungsmechanismen kann man auch als Musiker mit mindestens 32 Alben unterhalb des Radars bleiben. Insofern korrekt, was das Label in der Ankündigung zum gerade erschienenen Werk Nummer 33 schreibt: „Möglich, dass Sie Toby Goodshanks Arbeit schon gesehen oder gehört haben, ohne es überhaupt mitbekommen zu haben.“

Es folgt eine Auflistung mit Kollaborationen, an denen der 40-jährige New Yorker im Laufe der Zeit gewirkt hat: Gitarrist bei Moldy Peaches; bildender Künstler im Kollektiv 3MB zusammen mit Adam Green und Macaulay Culkin, das fantastisch-assoziative Comic-Universen malt; Singer-Songwriter in diversen Bands.

Immer wieder gab es also Gelegenheiten, dem US-Künstler und seiner Musik zu begegnen. Aber ebenso viele, ihn auch gerade zu verpassen. Goodshank praktiziert das Do-it-yourself-Prinzip bis heute in radikaler Konsequenz: kein fester Bookingagent, keine PR-Aktivität oder, wie in diesem Fall, Songs und Alben ohne Namen.

Radikales Do it Yourself

So war auch die Wiederveröffentlichung seines 2009 erschienenen Albums „Untitled“ alles andere als selbstverständlich: Bernhard Karakoulakis, der gerade Lousy Moon Records gegründet hatte, war sich unsicher, ob Good­shank hiermit überhaupt auf seinem Label erscheinen wollen würde. Er wollte. Fürs Vinyl-Remastering konnte man mit Kramer einen Produzenten gewinnen, der unter anderem für den Soundtrack zu Tarantinos „Pulp Fiction“ verantwortlich zeichnete. „Es war von Beginn an eines meiner absoluten Lieblingsalben“, erklärt Karakoulakis, der Good­shank während diverser Bandprojekte kennengelernt hatte, „und ich dachte immer, dass es nicht annähernd die Aufmerksamkeit erhält, die es verdient hätte.“

Auf „Untitled“ ziehen nun ebenso namenlose Songs über Schund und Schönes, Freundschaft, Sex, Trauer, Ekel und Ausgedachtes wie des Sängers vermeintliche Kirschbrüste ins Goodshank-Universum, das damals noch um einiges punkrockiger klang als heute.

Was bei ehemaligen Antifolk-Kollegen wie Adam Green in alberner Form und bei Jeffrey Lewis eher vornehmer formuliert vorkommt: die Erkenntnis, dass die befreiende Kraft des Eros ohne potenziell verstörende Momente nicht zu haben ist, all das fließt bei Toby Goodshank vielleicht am klarsten in Quell-des-Lebens-mäßiger Poesie durch seine Lieder und Alben, die klar im Folk verhaftet sind, aber auch grungy, punkig, verspielt-elektronisch sein können. Zudem fast immer Pop, denn Goodshank ist ein begabter Komponist – und er bricht die Grundregel, dass Männer als Singer-Songwriter nicht wirklich schön singen, mit Verve.

Engelsgleiche Stimme

So trägt einen Goodshanks engelsgleiche Stimme über bisweilen peintriefende Texte immer wieder in sichere, unschuldige, heitere Gefilde. Sein größter Einfluss, erklärt der Musiker, sei die US-Pranksterband The Frogs: Deren Musik mit oft vulgären Texten habe ihm gezeigt, dass man über wirklich alles Songs schreiben könnte. „Das führt nicht unbedingt zu einem guten Song.“ Aber Musik ist es allemal. So lautet vielleicht das Prinzip nicht nur dieses Albums, sondern von Toby Goodshank überhaupt: Erst einmal alles umarmen.

Toby Goodshank: „Untitled“ (Lousy Moon).

Live: 30.5. Nürnberg „RadioZ Fest“, 31.5. Freiburg „Fluxus“, 1.6. Frankfurt „No. 2 Records“, 2.6. Wetzlar „Cafe Vinyl“, 3.6. Marburg „Cafe Trauma“, 4.6. Hamburg „Nachtwache“, 5.6. Leipzig „Tanzcafé Ilses Erika“, 7.6. Berlin „Internet Explorer“.

„Toby Goodshank“, erklärt sein Weggefährte Jeffrey Lewis, „ist einer der merkwürdigsten Künstler, die ich kenne. Seine Mission, soweit ich das verstehen kann, ist es, angstfrei und freundlich gesinnt die Pforten der Wahrnehmung aufzustoßen und Ausdünstungen aufzuzeichnen, die da jenseits der hauchdünnen Oberfläche der Akzeptanz herumschwimmen.“ Lewis schließt mit der über allem kreisenden Frage: „Wie kann er so charmant und so verdorben zugleich sein?“

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