Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Wölfe kann man per Gesetz leichter abknallen, und wer bei Vapiano in der Schlange stand, weiß was Hunger ist. Danke und stimmt so.

Jamie Oliver guckt auf einen Teller

Gesund und trotzdem pleite: Starkoch Jamie Oliver musste Insolvenz anmelden Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: „Spiegel“-Titel zu „Merkels Abschied“.

Und was wird besser in dieser?

Nicht der letzte.

Die EU hat gewählt. Und? Gibt's sie noch?

Erste EU-Wahl, bei der es um die EU ging. Gut.

Die britische Premierministerin Theresa May hat am Freitag ihren Rücktritt angekündigt. Wer könnte jetzt noch Bock auf dieses Amt haben?

„Walk a mile in my shoes“ – bei Mays mitteilsamen Leopardenfell-Heels immerhin eine ESC-würdige Darbietung von Boris Johnson.

In einem Tweet spricht US-Präsident Donald Trump eine Warnung an den Iran aus: Sollte das Land die USA noch einmal bedrohen, wäre das sein Ende. Rhetorik der Eskalation oder Eskalation der Rhetorik?

Bizarr, wie er in Nordkorea einen vergleichbar durchgeschmorten Frisurenständer hofiert wg. Friedensnobelpreis, und sich gleichzeitig einen kommoden Krieg im Iran zurechtlegt. Mit Waffenlieferungen an Saudi-Arabien, an der US-Gewaltenteilung vorbei. Rhetorik oder nicht: Trump nähert sich dem Punkt, an dem er nicht mehr Herr des Verfahrens ist.

Das Strache-Video wirbelt in Österreich weiter Staub auf. Am Montag findet ein Misstrauensvotum gegen Kanzler Sebastian Kurz statt. Hat er etwa die FPÖ-Minister durch die falschen Expert*innen ersetzt?

In einer besseren Welt wäre alles genau so gekommen – ohne Video. Kurz´ Regierung steht für maximal unbarmherzige Migrationspolitik, Nazi-Rhetorik, Drangsalierung der Medien, 12-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche als gesetzliche Option. Wann immer das Projekt „Abbau des Sozialstaates“ stockte, drosch die aufgeblähte PR-Maschine von ÖVP und FPÖ wieder irgendwas mit Moslems in die Medien. Kurz bzw. Sebastian: Nicht das Video ist der Skandal, sondern dass es das Video zum Skandal brauchte. Dessen ungeachtet macht Kurz alles richtig; schwärmte vom „harmonischen Stil“ der Koalition, gab sich als treu waltender Politmozart und als Opfer Straches. Und das Video rieche ja sehr nach Sozialdemokratie. Restwert-orientierte FPÖ-Wähler werden jetzt zur ÖVP wechseln, die SPÖ darbt und längs der klugen Frage „cui bono ?“ – „wem nützt es? – hätte Kurz das Video selbst produzieren müssen.

Die Kritik des Youtubers Rezo an den Regierungsparteien, vor allem an der CDU, hat vergangene Woche das Internet gesprengt. Auch die CDU?

Sie kann ihr Glück gar nicht fassen und mümmelt im Vertrauenslehrergroove, man „müsse die jungen Leute ernst nehmen“. Ohne zu verstehen, dass Rezo & Kollegen weit Wagemutigeres tun: sie nehmen die CDU ernst. Wie peinlich ist das denn bitte? Normal dauert es jetzt 5 Jahre, bis man sich LeFloyd-mäßig an Angela Merkel verhebt und weitere 10, bis man in Bayreuth Wagner inszeniert. Den traditionellen Parteien hätte nichts Besseres passieren können, als vom Gespött zum Gespenst hochdefiniert zu werden, die Rezonista entblößen eine Frontlinie, die längst überzuckert schien. Wer dem – wie die Union – mit „Faktencheck“ begegnet, hätte auch Christoph Schlingensiefs „Deutsches Kettensägenmassaker“ mit Autorenlesungen aus Parteitagsprotokollen beantwortet. Nun schöpft man Hoffnung gegen die Meinungshoheit von Rechtspopulisten in „sozialen Netzwerken“. Und Merkels Warnungen vor bösen russischen Manipulationen können sich einstweilen trollen. Brauchen wir nicht, können wir selbst. Danke.

Die USA verschärft ihre Anklageschrift, Julian Assange drohen nun bis zu 175 Jahre Haft. Schweden oder USA, wer macht das Rennen im Streit um seine Auslieferung?

Makaber: Ohne die Vorwürfe aus Schweden ist er weg. In den USA, Knast bist zum Tode. Die neue Anklage wäre geeignet, nationale Helden wie die Watergate-Enthüller Bernstein und Woodward ein paar Jahrhunderte einzusperren – denn Assange wird darin schlicht journalistisches Arbeiten vorgeworfen. Europa braucht auf Dauer einen anderen Whistleblower-Schutz als nun gerade Vergewaltigungsvorwürfe.

Ola Källenius löst Dieter Zetsche als Daimler-Chef ab: Vorstandswechsel oder Fridays for Future, was hat mehr Einfluss auf die Zukunft der Automobilindustrie?

Alter Schwede, bzw. junger: „Stinkst Du noch oder stromst Du schon ?“ könnte was werden, Daimler hat sich, wie alle deutschen Autohersteller, 20 Jahre von der Realität ausgekuppelt. Källenius ist 50, falls Daimler das hinbekommt, könnte er es noch erleben.

Das Bundeskabinett hat einen Gesetzesentwurf zum leichteren Abschuss von Wölfen gebilligt. Haben Sie Angst vor dem Wolf?

Wenn man jetzt schon Gesetze über Tiere macht, von denen nach ministeriellen Erkenntnissen ca. 400 in Deutschland leben, scheint´s ja sonst ruhig zuzugehen in Berlin.

Jamie Olivers Restaurants sind pleite, die Kette Vapiano konnte derweil noch gerade so gerettet werden. Haben die Leute keinen Hunger mehr?

Wer bei Vapiano in der Schlange stand, weiß was Hunger ist. Den kann man da sehr gut haben: zu viele Filialen, die durch zu wenig Personal refinanziert werden sollten. Oliver engagiert sich für besseres Schulessen, zuckerfreie Softdrinks und Gastro-Jobs für Arbeitslose. Ändert nix am Konkurs, erhöht aber das moralische Trinkgeld. Stimmt so.

Und was machen die Borussen?

Zwei Monate nix. Dagegen ist fasten heiter.

Fragen: Lilly Schlagnitweit

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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