Katalanische Abgeordnete suspendiert: Angeklagt, gewählt, rausgeschmissen

Spaniens Parlament suspendiert vier wegen „Rebellion“ angeklagte kalalanische Abgeordnete. Kandidieren durften sie, amtieren aber nicht.

Ein korpulenter Mann spricht im Parlamentssaal

Dienstag eingeschworen, Freitag suspendiert: der katalanische Abgeordnete Oriol Junqueras Foto: reuters

MADRID taz | Es war ein kurzer Auftritt im spanischen Parlament. Nur eine halbe Woche nach ihrer Vereidigung wurden vier katalanische Abgeordnete am Freitag vom Parlamentspräsidium ihrer Funktion enthoben. Es handelt sich um den ehemaligen katalanischen Vize-Regierungschef Oriol Junqueras, zwei seiner Minister sowie den einstigen Vorsitzenden der größten Bürgerorganisation für die Unabhängigkeit der nordostspanischen Region Katalonien, der Katalanischen Nationalversammlung (ANC), Jordi Sànchez.

Die Vier sitzen alle seit über einem Jahr in Untersuchungshaft und stehen seit Wochen zusammen mit acht weiteren Angeklagten im Zusammenhang mit dem von Madrid untersagten Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 wegen „Rebellion“ und „Aufstand“ vor dem Obersten Gerichtshof Spaniens. Ihnen drohen bis zu 25 Jahre Haft. Dennoch kandidierten sie bei den vorgezogenen Neuwahlen am vergangenen 28. April erfolgreich auf den Listen der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) und der von Gemeinsam für Katalonien (JxCat).

Der juristische Dienst des Parlaments erklärte, dass Untersuchungshäftlinge zwar gewählt werden können, aber ihr Amt nicht ausführen dürfen. „Aus diesem Grund ist es die Aufgabe des Parlamentspräsidiums, die betreffenden Parlamentarier automatisch von ihrer Amtsausübung zu suspendieren“, heißt es im Bescheid unter Berufung auf den Artikel 384 des Strafprozessordnung.

Zuvor hatte auch die Staatsanwaltschaft einen solchen Schritt empfohlen. Ein weiterer gewählter Katalane, der ehemalige katalanische Außenminister Raül Romeva, der in das Oberhaus, den Senat, gewählt wurde, wird wohl in den kommenden Tagen ebenfalls seines Amtes enthoben werden.

Kandidaturen fürs Europaparlament

Die Anwälte der betroffenen Abgeordneten hatten verlangt, dass die fünf nach ihrer Wahl auf freien Fuß gesetzt werden, um ihre Arbeit als Parlamentarier trotz Gerichtsverfahren aufnehmen zu können. Die Mitglieder der konservativen Partido Popular (PP) und der rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) im Parlamentspräsidium hatten von Anfang an eine Suspendierung verlangt. Die Mehrheit aus Sozialisten und linksalternative Unidas Podemos (UP) zögerten. Die sozialistische Parlamentspräsidentin Meritxell Batet hatte den Fall an den Obersten Gerichtshof überwiesen. Die hohen Richter weigerten sich, eine Entscheidung zu fällen, das Präsidium sei dafür zuständig, hieß es. UP stimmte gegen die Suspendierung.

Junqueras dürfte schon bald erneut von sich Reden machen. Denn er kandidiert für seine ERC zum Europaparlament. Sein ehemaliger Chef, Carles Puigdemont, sowie zwei Ex-Minister, die sich vor dem Verfahren wegen „Rebellion“ nach Brüssel abgesetzt haben, stehen am Sonntag ebenfalls auf einem Stimmzettel. Puigdemont ist Spitzenkandidat für Lliures per Europa (Frei für Europa).

Alles deutet darauf hin, dass Junqueras und Puigdemont genügend Stimmen erhalten werden, um ins EU-Parlament einzuziehen. Junqueras wird dann wohl unter Polizeigeleit die Ernennungsurkunde bei der spanischen Wahlbehörde entgegennehmen können. Ob und wie er an den Sitzungen des EU-Parlament in Brüssel und Straßburg teilnehmen kann, ist völlig unklar.

Der Fall Puigdemont ist noch komplizierter. Gegen ihn besteht in Spanien ein Haftbefehl. Sobald er einreist, um seine Ernennung abzuholen, droht ihm Untersuchungshaft. Seine Anwälte halten dies für nicht rechtmäßig. Sie gehen davon aus, dass Puigdemont, sobald er gewählt ist, Immunität genießt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.