das ding, das kommt
: Avantgarde mit Teletubbies

Kostüme wie diese „Goldkugel“ spielten eine große Rolle in Oskar Schlemmers am Bauhaus entwickelten Tänzen. Ihnen widmet sich jetzt eine Ausstellung in Hannover Foto: Stiftung Bauhaus Dessau

Für heutige Augen sehen sie aus wie tapsig herumwackelnde Teletubbies oder Michelin-Reifenmännchen. Oder wie verkleidete Roboter, denen das Menschlichwirken noch schwer fällt, zumindest in ihren schweren und sperrigen Kostümen. Tatsächlich weiß man nicht, wie sich die Tänzer*innen in Oskar Schlemmers experimentellem „Triadischen Ballett“ wirklich auf der Bühne bewegt haben: Filmaufnahmen gibt es von den Aufführungen in den 1920er-Jahren nicht, seit 1970 aber wurden Annäherungen und Rekonstruktionen unternommen; zuletzt tourte 2015 und 2017 mit einer Fassung das Düsseldorfer Theater der Klänge durch die Lande.

Das „Triadische Ballett“ war dabei nur die aufsehenerregendste Arbeit Schlemmers, bestehend aus dem Dreischritt Raum-, Formen- und Gestentanz. Daneben hat der Bauhaus-Meister auch noch einen „Metalltanz“ entwickelt, einen „Glastanz“, einen „Reifentanz“ und einen „Kulissentanz“.

Heute denkt man beim Bauhaus, dessen 100. Geburtstag dieses Jahr gefeiert wird, vor allem an Design, Architektur und Handwerk. Aber auch mit Theater und Tanz hat man sich damals, 1920 ff., in Weimar und später in Dessau intensiv auseinandergesetzt. Und seinerzeit war die Kunstschule bekannt für ihre ausschweifenden Feste und opulenten Bälle.

Ein anderes Verständnis von Tanz als etwa der gleichzeitig aufkommende Ausdruckstanz hatte Schlemmer dabei: Die Tänzer*in verstand er als bewegte skulpturale und im Grunde mechanische Kunstfigur im Raum, geführt von einem Menschen, der ihr im Gegenzug zur formalen Strenge des Bauhauses wieder eine Seele einhaucht.

Sein Ballett, schrieb Schlemmer 1922 in sein Tagebuch, „das mit dem Heiteren kokettiert, ohne der Groteske zu verfallen, das Konventionelle streift, ohne mit dessen Niederungen zu buhlen, zuletzt Entmaterialisierung der Körper erstrebt, ohne sich okkultisch zu sanieren, soll die Anfänge zeigen“ – allerdings die von etwas heute befremdlich Wirkendem: ein „deutsches Ballett“, in der Lage, „sich gegenüber vielleicht bewundernswerten, doch wesensfremden Analogien zu behaupten“.

In Hannover zeigt nun eine Ausstellung, wie sich Bühne und Tänze ins Bauhaus-Konzept einfügten. Und stellt der streng formalen Suche nach einem neuen, dem Maschinenzeitalter angemessenen Menschenbild den seinerzeit prominenten Ausdruckstanz gegenüber. Der machte sich damals, inspiriert von der Reformbewegung, in eine ganz andere Richtung auf – zurück zur natürlichen Bewegung. Und seine bekannteste Vertreterin, Mary Wigman: eine gebürtige Hannoveranerin.

Robert Matthies

„Ausdruckstanz und Bauhausbühne“: bis 29. 9., Hannover, Museum August Kestner