Der gute Geist Will Smith

Für die Guy Ritchie anvertraute Realfilmversion von „Aladdin“ hat sich Disney händeringend bemüht, dem Stoff den Rassismus auszutreiben. Doch nun mangelt es dafür an Tanz- und Sangesvermögen

Der Geist aus der Flasche heißt dieses Mal Will Smith Foto: Disney

Von Fabian Tietke

Was macht man als Produktionsfirma mit einem Film, der ein Kassenschlager war, aber gleichzeitig einen Shitstorm geerntet hat? Man dreht ein Remake. Disney arbeitet seit einigen Jahren daran, die erfolgreichen Animationsfilme der Firma in Realfilmen neu zu adaptieren und einmal mehr hervorragend daran zu verdienen. Nachdem Tim Burton in „Dumbo“ weit in die Firmengeschichte zurückgegriffen hat, startet nun Guy Ritchies „Aladdin“. Der Straßenjunge, der um die Prinzessin des Sultans buhlt, hat es der westlichen Imagination angetan, seit Antoine Galland die Figur in seine ersten Übersetzung von „Tausendundeiner Nacht“ hineinschmuggelte. Mit Guy Ritchie durfte sich nun ein Mann fürs Grobe an der Neuverfilmung versuchen.

Wie gehabt, darf sich Aladdin von den Gendarmen der Stadt Agrabah jagen lassen, weil er sich als Straßenjunge seinen Lebensunterhalt zusammenklaut. Auf dem Markt trifft er Jasmin, die Tochter des Sultans, die sich inkognito unter ihre Bevölkerung gemischt hat. Die beiden verlieben sich. Doch Jasmin muss einen Prinzen heiraten, die sich reihenweise im Palast einfinden und um sie werben. Doch einer ist dümmer und aufgeblasen als der andere und Jasmin will verständlicherweise keinen von ihnen. Zugleich sorgt sie sich darum, wer als nächstes über die Bevölkerung von Agrabah herrschen wird. Am liebsten würde sie selbst Herrscherin über den Stadtstaat werden, doch die Gesetze sehen dies nicht vor. Während Jasmin im neuen Film mit den patriarchalen Gesetzen kämpft, schmachtete sie im Animationsfilm aus den 1990er Jahren vor allem nach einem schnittigen Prinzen.

Auch sonst ist der Ballast der ersten Verfilmung nicht unbeträchtlich: Als die Animationsfilmvorlage im November 1992 in die US-Kinos startete, lag der erste Irakkrieg anderthalb Jahre zurück, antiarabischer Rassismus war virulent in den USA und Disney hielt es dennoch für eine gute Idee, Liedschreiber Alan Menken im englischen Text des Eröffnungslieds dichten zu lassen: „Ich komm von einem Ort weit weg, […] wo sie dir das Ohr abschneiden, wenn sie dein Gesicht nicht mögen. Es ist barbarisch, aber hey, es ist mein Zuhause.“

Der Aufschrei war erheblich, zumal auch die Animation nicht arm war an rassistischen Stereotypen. Liedtexter Menken hat gerade einmal 25 Jahre gebraucht, um den Fehler einzusehen. Die Zeile taucht nicht länger auf und auch sonst war Disney händeringend bemüht gewesen, dem Stoff den Rassismus auszutreiben: monatelang wurde herumgecastet, bis ein Hauptdarsteller gefunden wurde, der singen und tanzen kann und gleichzeitig „arabischen oder indischen Ursprungs“ ist. Entschieden hat man sich schließlich für Mena Massoud, einem kanadischen Schauspieler ägyptischer Abstammung, als Protagonisten (Aladdin) und für die britische Schauspielerin Naomi Watts, deren Mutter eine aus Uganda stammende Inderin ist, als Protagonistin (Prinzessin Jasmin).

Liedtexter Menken hat gerade einmal 25 Jahre gebraucht, um den Fehler einzusehen

Sonderlich glorreich war diese Entscheidung nicht: Mena Massoud ist ein leidlicher Tänzer und schlechter Sänger, Watts eine noch schlechtere Tänzerin, deren Gesang stellenweise passabel ist, an anderen Stellen jedoch mehr nach röhrendem Musical-Hirsch klingt. Dass nicht alles Elend des Scheiterns dieser Neuverfilmung als Action-Musical-Komödie den beiden Protagonist_innen anzulasten ist, wird in einer Ensemble-Tanzszene am Ende des Films deutlich, die choreografisch (verantwortlich: Jamal Sims) noch unterirdischer ist als die tanzenden Schauspieler.

Dass Will Smith als Geist aus der Lampe das komplette Ensemble an die Wand spielt, macht den Job der Protago­nis­­t_in­nen nicht leichter, rettet dafür aber den Film als Ganzen. Wenn man den Film erträgt, dann wegen eines soliden Drehbuchs mit einigen passablen Gags und dank Will Smith. Die Schatzhöhlenszene, in der Aladdin in den Besitz der Wunderlampe kommt und der Geist aus der Lampe ihn mit den Regeln des Wün­schens vertraut macht, ist denn auch eine der gelungensten Neuerungen. War diese Szene im Animationsfilm ein müder Abglanz des Animationsfeuerwerks, das die Fleischer-Brüder, die New Yorker Disney-Konkurrenten der 1930er Jahre, regelmäßig zu Jazzhits abfeuerten, ist diese Szene nun ein enthemmtes Tanzspektakel, dem der etwas überforderte Aladdin nicht mehr recht folgen kann.

Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass es an „Aladdin“ nie etwas zu retten gab. Das Konzept exotistischen Spektakelkinos mit ethnischen Stereotypen gehört schlicht begraben. Dass Disney deshalb darauf zu verzichten braucht, seine Klassiker als Cashcows wieder und wieder zu melken, haben die letzten Monate gezeigt. Die Erkenntnisse sind schlicht: „Dumbo“ hat die Aktualisierung durch Tim Burton deshalb gut getan, weil der große Teile der Geschichte neu erfunden hat. „Mary Poppins’Rückkehr“ wiederum hat gezeigt, wie lohnend es ist, Tanzszenen Schauspielern anzuvertrauen, die tanzen können. Beides sollte wiederholbar sein.

„Aladdin“. Regie: Guy Ritchie. Mit Will Smith, Mena Massoud, Naomi Watts u. a., USA 2019, 128 Min.