Kolumne Minority Report: Ein Wort mit 29 Buchstaben

Horst Seehofer hat den Entwurf für ein neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz vorgestellt. Das Ergebnis bietet Hürden ohne Ende.

Buchstabenklötze liegen durcheinander

Eine Besonderheit der deutschen Sprache: Man kann so viele Wörter aneinanderklatschen Foto: dpa

Eigentlich könnte man aus Erfahrung getrost weghören, wenn Horst Seehofer irgendetwas zum Thema Migration zu sagen hat, nur leider ist er unser Bundesinnenminister. Deshalb muss man dem Reflex widerstehen, sich die Ohren zuzuhalten und lalala zu singen, wenn der Mann, der Migration als „die Mutter aller Probleme“ in Deutschland bezeichnet hat, über ein Einwanderungsgesetz spricht.

Eine „historische Weichenstellung“ hin zu einer modernen Einwanderungspolitik soll dieser neue Gesetzentwurf sein, der am vergangenen Donnerstag erstmals im Bundestag beraten wurde. Historisch ja, und weich auch, so viel Zustimmung muss sein. Seit Jahrzehnten diskutieren hier Politiker*innen an der Realität vorbei, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist oder nicht – es ist ermüdend. 1955 wurde das erste Anwerbeabkommen für Arbeitskräfte zwischen Italien und der Bundesrepublik geschlossen. Das ist 64 Jahre her. Um es abzukürzen: Danach kamen mehr Menschen auch aus anderen Ländern auf unterschiedlichen Wegen.

Jetzt soll ein Gesetz her. Es geht aber nicht um ein schlichtes Einwanderungsgesetz, sondern um ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, ein Wort mit 29 Buchstaben. Es ist eine schöne Besonderheit der deutschen Sprache, dass man so viele Wörter aneinanderklatschen kann, wie man lustig ist – beim Spiel Galgenmännchen ist das ein Vorteil. Aber mit dem Gesetz soll ja weder gespielt noch gehängt werden. Es soll geregelt werden, wie Menschen aus Nicht-EU-Staaten ohne akademischen Abschluss zur Job- oder zur Ausbildungssuche nach Deutschland kommen können. In der EU gilt ohnehin Arbeitnehmerfreizügigkeit, Nicht-EU-Akademiker*innen sind bereits willkommen, dazu gibt es ein paar Ausnahmen. Konkreter wäre also der Name: Nicht-akademische-Nicht-EU-Staatsangehörige-Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

Migration findet statt – Gesetze hin oder her

Wer das rückwärts aussprechen kann, darf kommen – zumindest sind die Voraussetzungen ähnlich hoch: Gut deutsch sprechen, qualifiziert sein, schon einen konkreten Job oder genug Geld haben, um ohne Sozialhilfe sechs Monate hier überleben zu können. Hürden ohne Ende. Geduldete, die schon hier arbeiten, dürfen – unter bestimmten Voraussetzungen – bleiben. Das soll der große Wurf sein.

Angesichts der jahrelangen Streitereien um dieses Gesetz ist es reichlich mau, was SPD und Union da vorgelegt haben. Grünen, Linken und FDP ist das nicht genug. Die Linke merkt zurecht an, dass es in manchen Branchen eine Lücke gibt, einfach weil die Arbeitsbedingungen so mies sind. Die AfD reagiert mit gewohnter Angstmacherei. Seehofer ist das egal: Der Entwurf könne „legale Migration“ stärken und „illegale Migration“ zurückdrängen. Es klingt so, als wäre dieses Gesetz eine Wohltätigkeitsgeste für den Rest der Welt. Dem ist nicht so. Es soll das Überleben Deutschlands sichern. Darum geht's. Gleichzeitig hat Seehofer das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ im petto. Die Nützlichen holen, alle Unerwünschten sollen weg, das ist die Message.

Nun ist es so: Migration findet statt, Gesetze hin oder her. Und sie kann nur so „illegal“ sein, wie ein Nationalstaat sie definiert. Manche flüchten, weil ihr Land zerbombt wird, andere, weil sie keine gute Perspektive haben. Realpolitisch heißt das: Das Asylrecht darf nicht weiter ausgehöhlt werden und ein unbürokratisches Einwanderungsgesetz muss her, das diesen Namen verdient.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.