Das Land des Stillstands

SCHWEDEN Das einstige Musterland der Gleichberechtigung, kann sich zu einer Quote nicht durchringen

VON REINHARD WOLFF

STOCKHOLM taz | Den Namen „Flip-Flop-Ministerin“ hat sich Nyamko Sabuni redlich verdient. Kein Mitglied des schwedischen Kabinetts musste in den vergangenen Jahren so viel Haken schlagen wie die Gleichstellungsministerin zur Frage einer Frauenquote. Einerseits vertraut die in Stockholm regierende konservativ-liberale Mehrheit prinzipiell den freien Märkten und ist gegen einen solchen „Eingriff in das Eigentumsrecht“. Andererseits ist diese selbst aus gleich viel Männern wie Frauen zusammengesetzte Regierung aber von der Notwendigkeit einer Erhöhung des Frauenanteils in Führungsgremien überzeugt. Eigentlich.

Der Ausweg: Man droht ständig mit einer Quote. Und Sabuni muss Haken schlagen. 2009 war für sie „keine Zeit mehr zu verlieren“: Ein Gesetz musste kommen! Das kam nicht, stattdessen sollten es die Unternehmen selbst richten. Mitte 2011 wurde erneut eine Quote angekündigt, doch heute ist Stockholm beim Nein. Weshalb man auch eine EU-Regelung nicht will. „Peinlich“, konstatiert eine Kolumnistin in Svenska Dagbladet. Sei Schweden nicht einmal ein Vorbild für Gleichberechtigung gewesen? Es war die damalige sozialdemokratische Gleichstellungsministerin Margareta Winberg, die 2002 erstmals ein Quotengesetz angekündigt hatte. Mit der Wirkung, dass der Frauenanteil in den Aufsichtsräten binnen drei Jahren von 12 auf immerhin 21 Prozent nach oben schnellte. Auf diesem Niveau ist er aber seit sieben Jahren festgefroren. Weshalb in letzter Zeit auch wieder mehr Stimmen aus der Wirtschaft ein Gesetz nach norwegischem Vorbild – Quote von 40 Prozent – fordern. Die rot-grüne Opposition ist mehrheitlich für ein Quotengesetz.

Der jetzige Vorstoß der Kommission werde schon Wirkung auf die Wirtschaft haben, hofft Ministerin Sabuni: „Die sollten jetzt merken, dass die Drohung real ist. Wenn sie sich nicht anstrengen, können sie nicht wissen, was passiert.“ Dabei hat Sabuni genug Erfahrung, wie glaubwürdig Ankündigungen sind, denen nie Taten folgen. So schickte sie einen mahnenden Brief in Sachen Quote an 342 Aktiengesellschaften und bat um Stellungnahme. 59 antworteten. Vorwiegend nichtssagend. Bei 80 Prozent landete das Schreiben offenbar gleich im Papierkorb. Vielleicht solle die Ministerin nun per Massen-SMS darum bitten, dass Frauen nicht weiter diskriminiert werden, schlug ihr ein Kommentator vor.