Champions League Finale der Frauen: Hilflose Konkurrenz

Olympique Lyon unterstreicht mit dem 4:1-Erfolg gegen Barcelona seine Ausnahmestellung im Frauenfußball. Kein gutes Zeichen für den Wettbewerb.

eine Spielerin schreit ihre Freude heraus

Bestimmt nicht der letzte Schrei: die dreifache Torschützin Ada Hegerberg ragt bei Lyon heraus Foto: reuters

BUDAPEST taz | Shanice van de Sanden lichtete sich rasch schon mal vor der Pokalübergabe mit Pott ab, man weiß ja nie, wann es nochmal so ein gutes Profilbild gibt; Dzsenifer Marozsan war es dann, die wie nach Drehbuch in ihrer Geburtsstadt Budapest die Trophäe entgegennehmen durfte, schon zuvor gefeiert vom ungarischen Teil des Publikums. Olympique Lyon hat erneut die Champions League gewonnen, in einem Finale, das zum ersten Mal an einem eigenen Ort unabhängig vom Männerfinale stattfand. Mit offiziell etwa 19.000 Zuschauern kann die Uefa diesen Versuch in Budapest als gelungen verbuchen, ein weiteres Zeichen der zunehmenden Popularität des Frauenfußballs.

Das Spiel selbst allerdings erinnerte streckenweise eher an eine frühe Runde im DFB-Pokal, so enorm war der Klassenunterschied zwischen Lyon und dem Neuling FC Barcelona. Mit 4:1 zerlegte Lyon die Gegnerinnen und dominierte ungestört; das Ergebnis wäre wohl höher ausgefallen, hätten die Französinnen sich nicht ab etwa der 40. Minute weitgehend zurückgenommen. Ein schlechtes Zeichen für diesen Wettbewerb.

Fußballerisch blieb die Arbeit von Lyon zu bestaunen. Das Team von Olympique besitzt eine schnörkellose, zwingende Leichtigkeit im Spiel; keine endlosen Ballstaffetten, sondern ein, zwei meist steile Pässe, rasche Seitenwechsel, und eine taktische Klasse, wie man sie sonst bisher kaum sieht. Und dieses herausragende Offensivtrio: Shanice van de Sanden, Ada Hegerberg und Eugenie Le Sommer, dahinter Dzsenifer Marozsan.

Es ist berauschend, ihnen zuzusehen, auch über Strecken bei diesem Champions League Finale in Budapest. Und eben ein Dilemma, wenn die Gegnerinnen so hilflos sind. Zum vierten Mal hintereinander ist OL jetzt Champions League Siegerin, ihr sechster Titelgewinn insgesamt in neun Jahren. Vielleicht wird die beispiellose Dominanz demnächst durch die boomenden Klubs der englischen WSL herausgefordert, an Chelsea im Halbfinale kamen die Französinnen nur mühsam vorbei. Aktuell jedoch bleibt Rest-Europa abgeschlagen.

Eine Realismus-Kur

Die Illusion, dass der FC Barcelona in diesem Champions League Finale mithalten könnte, dauerte nur fünf Minuten. In der zweiten Minute dieser Partie tauchte Barca-Stürmerin Toni Duggan plötzlich vor Lyons Tor auf und schoss flach knapp am linken Pfosten vorbei. Das Stadion raunte, ein Gefühl kam auf, da schien was zu gehen für Barca. Dann setzte Lyon den Gegenstoß, nach Vorlage von Shanice van de Sanden traf Dzsenifer Marozsan in der 5. Minute beinahe lächerlich unbedrängt zum 1:0. Wie im Training ging es von da an.

Neun Minuten später der nächste Treffer, wieder über van de Sanden, diesmal traf Hegerberg. In Spanien war in den sozialen Medien das „wichtigste Spiel in der Geschichte des spanischen Frauenfußballs“ ausgerufen worden, erstaunlich viele Spanier waren angereist, „heute sind wir alle Barcelona“, hieß es. Es war dann eine Lehrstunde und eine Realismus-Kur inmitten des Hypes um den spanischen Frauenfußball. Die Begeisterung der Fans blieb.

„In der spanischen Liga ist die Qualität eine andere“, räumte Barca-Verteidigerin Andrea Pereira nach der Partie etwas geknickt ein. „Wir sind uns jetzt bewusst, was uns fehlt, und woran wir arbeiten müssen.“ Nicht taktische Einstellung, Tagesform oder Glück hatten entschieden, sondern die körperliche, spielerische, technische Unterlegenheit Barcelonas. Ada Hegerberg, wie so oft die überragende Spielerin und freundlich begleitet von einer völlig körperlosen Barca-Abwehr, traf noch zwei Mal, mit bereits 4:0 ging es in die Pause. Eine ganze Halbzeit musste sich die Partie dann noch dahinschleppen. Kurz vor Schluss traf Asisat Oshoala noch zum 1:4 für Barca, die spanischen Anhänger feierten, als sei's der Sieg.

„Wir sind ein Kollektiv“

Lyons Trainer Reynald Pedros war unterdessen nach der Partie damit beschäftigt, allzu großen Lobhymnen auf Ada Hegerberg auszuweichen. „Wir sind ein Kollektiv, wird sind nicht Ada und die Anderen.“ Ein Team tatsächlich, wo jede die Stärken der jeweils anderen kennt, das auch ohne Hegerberg mühelos funktionieren würde. Die Norwegerin dankte innig für die Vorlagen: „Das war eine unglaubliche Nacht für mich.“ Darauf angesprochen, ob die Unausgeglichenheit des Wettbewerbs nicht vielleicht langfristig auch ein Nachteil für Lyon sei, schien Hegerberg irritiert, nein, die Frage verstehe sie nicht. „Für uns ist es immer schwer, die Besten zu sein. Vielleicht sieht man von außen nicht, wie schwer das ist. Mich stört es nicht, dass wir immer gewinnen.“

Als erster Männerprofiverein hatte der Klub begonnen, konsequent Frauenfußball mitzudenken, und daraus den Sockel seiner Überlegenheit geschaffen. „Unser Präsident hat alles für uns getan“, so Hegerberg. „Es braucht mehr Leute wie ihn im Frauenfußball.“ Das konnte man auch als implizite Forderung an andere lesen, sich zu bewegen.

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