Betäubung ja, Tötung nein

EXIT Deutscher Pharmahersteller: Narkosemittel nicht für Hinrichtungen in den USA

VON HEIKE HAARHOFF
UND RUTH REICHSTEIN

BERLIN/BRÜSSEL taz | Der deutsche Pharmahersteller Fresenius Kabi beschränkt mit sofortiger Wirkung den Vertrieb des Narkosemittels Propofol in den Vereinigten Staaten. Das erklärte der Sprecher des Unternehmens, Joachim Weith, am Dienstag gegenüber der taz. Der Konzern mit Sitz in Bad Homburg reagiert damit auf die Ankündigung des US-Bundesstaates Missouri, das Medikament künftig für Hinrichtungen einsetzen zu wollen (siehe taz vom 1. 9. 2012).

Damit werden die Zutaten für die in den USA verwendeten Todescocktails immer knapper. Bereits Ende 2011 hatte die Europäische Union eine Exportkontrolle für die bisher am häufigsten verwendeten Mittel Pentobarbital und Sodium Thiopental verhängt. Der US-Bundesstaat Missouri hatte daraufhin erwogen, auf Propofol umzusteigen.

Aus Sicht der Strafvollzugsbehörden schien dies eine kluge Wahl: Propofol ist, anders als etwa Pentobarbital oder Sodium Thiopental, kein Nischenprodukt. Es wird in den USA rund 50 Millionen Mal im Jahr in 15.000 Kliniken und Praxen und vor allem für Vollnarkosen verwendet. Patienten, deren Leben oft vom schnellen Einsatz des Medikaments abhängt, müsse das Mittel auch in Zukunft zur Verfügung stehen, hatte Fresenius Kabi immer wieder betont.

Kontrolle der Händler

Um die Kontrolle über den Einsatz der Medikamentes zu bekommen, reduziert Fresenius Kabi nun die Zahl der Großhändler, die Propofol in den USA an Krankenhäuser, Apotheken und Ärzte verkaufen dürfen, von etwa 30 auf 11 bis 15. „Je weniger Beteiligte es gibt, desto besser ist der Vertrieb zu steuern“, so Unternehmenssprecher Weith.

Die Großhändler müssten sich zudem schriftlich verpflichten, „nicht an Gefängnisse, nicht an Strafvollzugsbehörden und nicht an Gefängniskrankenhäuser zu liefern“. Jede Bestellung müsse auf die Einhaltung dieser Vorschriften geprüft werden. Die neue Regelung, so Weith, sei „strafbewehrt“: „Verstößt ein Händler gegen den Vertrag, verliert er umgehend das Recht, Propofol zu vertreiben.“ So will das Unternehmen einen Beitrag dazu leisten, „dass sichergestellt wird, dass Propofol – jedenfalls auf legalem Weg – nicht in Gefängnisse gelangt“. Das Unternehmen hält derzeit das Monopol für die US-weite Versorgung mit Propofol.

Die Nutzung des Medikaments für Todesspritzen in amerikanischen Gefängnissen widerspreche dem Auftrag des Unternehmens, Leben zu schützen, heißt es in dem Brief, den Fresenius Kabi vor wenigen Tagen an seine US-Kunden schickte und der der taz vorliegt.

Der Entscheidung vorangegangen waren wochenlange Verhandlungen vor allem mit der Menschenrechtsaktivistin Maya Foa von der britischen Nichtregierungsorganisation Reprieve. Foa hatte sich dafür eingesetzt, den Export des Arzneimittels in die USA besser zu überwachen.

Nun fehlt das Gift

„Fresenius Kabi hat sehr schnell reagiert. Sie wollten unbedingt verhindern, dass sie mit Hinrichtungen in Verbindung gebracht werden. Ich bin sehr froh“, sagte Foa der taz. Sie ist überzeugt, dass die Entscheidung Hinrichtungen in den USA weiter verzögern, vielleicht sogar verhindern wird: „Mehrere Staaten erwägen zurzeit, auf Propofol umzusteigen. Sie werden das jetzt nicht tun. Ihnen fehlt das Gift.“

Fresenius Kabi ist nun das bereits zweite Unternehmen, das sich mit der Hilfe von Reprieve zu einer eigenen Kontrolle des Verkaufs verpflichtet. Der dänische Konzern Lundbeck, der Thiopental in die USA liefert, hatte seinen Vertrieb im vergangenen Jahr ebenfalls umgestellt und damit den Engpass in den Todeszellen verschärft. Der Fresenius Kabi-Sprecher Weith sagte, es sei auch nicht zulässig, dass die Behörden aus Missouri sich das Propofol jetzt einfach über andere Distributoren besorgten, etwa aus Frankreich oder China: Eine solche Einfuhr habe die US-Arzneimittelaufsichtsbehörde FDA untersagt.

„Es ist ein wichtiges Signal der Pharmaunternehmen, dass ihre Medikamente nur verwendet werden sollen, um Leben zu retten, nicht um Leben zu vernichten“, sagt Foa.