Kolumne German Angst: Rüffelo Sigmar Gabriel

Bevor er endlich zu Grabe getragen wird, zeigt der Kapitalismus noch mal Humor: Denn lustig ist sie jedenfalls, die Debatte um Kevin Kühnert.

Eine Animation: Grüffelo hält sich eine Maus vors Maul

Rüffelo Sigmar will mal eben eine Maus privatisieren Foto: dpa

Der Ex-SPD-Parteichef, Ex-Umweltminister, Ex-Außenminister, Ex-Wirtschaftsminister und amtierender Ehrenbürger von Goslar, Sigmar Gabriel, dürfte vor Empörung nicht in den Schlaf gekommen sein in der vergangenen Woche. Warum? Jemand nahm die „Schädigung der eigenen Partei“ in Kauf, um Politik zu machen.

Es ist nicht Gabriel, in dessen Amtszeit der Abstieg der SPD in die relative Bedeutungslosigkeit fällt. Nein. Es ist Kevin Kühnert, der den im Grundsatzprogramm der SPD festgeschriebenen Sozialismus einforderte. Kühnert ist zwar Juso-Vorsitzender, aber „nicht mal ein Bonsai-Trump“. Kühnert tweete bloss, Gabriels Beitrag entbehre „nicht einer gewissen Komik“. Und er hat recht.

Die SPD ist als Lachnummer allzu billig zu haben. Aber bei all den feinen Vorlagen kommt man eben am SPD-Diss nicht vorbei. Es ist aber auch komisch, wie die ständige Mahnung an die SPD, ihr Profil als linksliberale Volkspartei zu schärfen bevor sie unterginge, so schnell umschlug in: Die SPD begehe mit der Debatte um Eigentum „endgültigen Selbstmord“. Halb hämisch, halb schnappatmend.

Ganz nebenbei wird aus dieser Kaskade der SPD so noch ein Lehrstück über das Verhältnis unserer Gesellschaft zu Kapitalismus und Eigentum, aber eben auch zu Demokratie und Nachhaltigkeit. Die Aufregung ist so monströs, obwohl Kühnert ja keine, sagen wir: Menschenrechte anzweifelt. Eigentum schließlich ist eine gesellschaftliche Institution und kein Naturgesetz. Don’t mention die soziale Frage!

Sigmar ohne Amt

Dass das Kühnert-Interview hinter einer Bezahlschranke lag und somit die Debatte ganz ohne Inhalte frei drehte. – Gnihihi. Der Kapitalismus hat zwar keine systemimmanenten Motivationsstrukturen, aber Humor.

Anders als die SPD. Die ist eben nur komisch. Oder besser: Typen wie Sigmar Gabriel. Ohne Amt. Ohne Funktion. Aber mit der Nase gerade noch so überm Wasser, Luft genug, um Rüffel in die ganze Welt zu verteilen. Und das kann er gut. Man weiß nicht für was genau er inhaltlich stand. Definitiv aber auf der richtigen Seite der Geschichte.

Zum Beispiel als er mit einer deutschen Wirtschaftsdelegation in den Iran reiste, ohne Hemmungen auch vor der Nähe zu Holocaustleugnern. Oder, apropos, sein rotes Tuch Israel, das er wegen seiner Siedlungspolitik als „Apartheit-Regime“ bezeichnete und die entsprechenden NGOs der israelischen Regierung vorzog. Oder sein ganzer Nord Stream 2-Furor, überhaupt die Forderung nach Lockerung der Sanktionen auch ohne die Einhaltung des Minsker Abkommens etc. pp. – kundgetan auf RT Deutsch.

Gabriel nennt Nazis „die undeutschesten Typen, die ich mir vorstellen kann“ und befördert sie, ganz so als hätten sie nie dazu gehört und seien nicht Ausdruck gehegter deutscher Zustände, schwuppdiwupp, aus der Gesellschaft heraus. So einfach geht es. Aus Sigmar Gabriel spricht das Volk. Oder gleich die ganze westliche Wertegemeinschaft wie er nicht müde wird zu betonen. Aber was ist die? Schaut man sich um – aufs Mittelmeer, nach Syrien, ganz egal – auch nicht mehr als Wirtschaftslobbyismus.

Wenn sie schon sonst nichts mehr hat, die ex-„sozialistische Arbeiterpartei“, lässt ihnen der Ex-Chef wenigstens das eine, was es ganz umsonst gibt: den Kapitalismus. Siehe: Handelsblatt.

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Vollzeitautorin und Teilzeitverlegerin, Gender- und Osteuropawissenschaftlerin.

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