Aktionäre stehen auf

Vor Deutsche-Bank-Hauptversammlung: Stimmrechtsberater dafür,Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat „mindestens kritisch“ zu hinterfragen

Von Kai Schöneberg

Erneut droht dem Vorstand eines DAX-Konzerns das Misstrauensvotum der Aktionäre. Der US-Stimmrechtsberater Glass Lewis empfiehlt den Anteilseignern der Deutschen Bank, bei der Hauptversammlung am 23. Mai gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zu stimmen. Laut Reuters rät die deutsche Glass-Lewis-Tochter Ivox, die Entlastung solle „mindestens kritisch hinterfragt werden“.

Erst vor zwei Wochen hatte die Deutsche Bank einer Fusion mit der Commerzbank eine Absage erteilt, ohne ein nachhaltiges Geschäftsmodell präsentieren zu können. Insbesondere wegen des massiven Wertverlusts der Aktien könne man eine geschlossene Entlastung nicht empfehlen, heißt es bei Glass Lewis. Den Aufsichtsrat kritisieren die Stimmrechtsberater unter anderem wegen hoher Boni und Personalrochaden im Vorstand. Eine Abwahl von Aufsichtsratschef Paul Achleitner, der sich für ein Zusammengehen mit der Commerzbank stark gemacht hatte, wird jedoch nicht empfohlen.

Nach Beratern wie Glass Lewis richten sich viele Fonds und Großanleger, insbesondere aus den USA und Großbritannien. Gegen die Ansichten von Glass Lewis und dem einflussreicheren Konkurrenten ISS lassen sich daher kaum Beschlüsse durch die Hauptversammlung bringen. Auch wegen der Kritik von Stimmrechtsberatern wurde vor Kurzem der Vorstand des Pharma- und Chemiekonzerns Bayer nicht entlastet. Eine unmittelbare rechtliche Wirkung hat das zwar nicht. Aber große Signalwirkung. Bayer-Chef Werner Baumann ist der einzige amtierende DAX-Chef, dem je die Entlastung verweigert wurde. Am vergangenen Donnerstag passierte auf der Generalversammlung der Schweizer Großbank UBS Ähnliches: Die Aktionäre verweigerten Vorstand und Verwaltungsrat die Entlastung. Dabei ging es um eine Milliardenstrafe wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche.

Normal bei Hauptversammlungen sind Zustimmungsquoten von über 90 Prozent. Die Deutsche-Bank-Chefs Jürgen Fitschen und Anshu Jain bekamen 2015 nur rund 61 Prozent Zustimmung des anwesenden Grundkapitals. Wenige Wochen später traten sie zurück.