Die Hoffnung auf den Promifaktor

Die Grünen in Österreich wie auch die Linken in Frankreich hoffen, mit der Europawahl aus der Krise zu kommen. Doch nur ein rechtes Comeback scheint sicher – in Italien

Oben links: Alessandra Mussolini; unten links: Sarah Wiener; rechts: Benoît Hamon Fotos: picture alliance

Von Pascal Beucker

Während sich die deutschen Grünen mit ihrem Spitzenduo Ska ­Keller und Sven Giegold im Umfragehoch sonnen, würde sich ihre Schwesterpartei in Österreich schon darüber freuen, wenn sich die ­Verluste bei der Europawahl einigermaßen in Grenzen hielten.

Vor vier Jahren noch bei 14,5 Prozent gelandet, flogen die österreichischen Grünen bei der Nationalratswahl 2017 mit 3,8 Prozent aus dem Parlament. Unter dem Wahlkampfmotto „Zurück zu den Grünen“ haben sich die kriselnden Alpen-Ökos nun prominente Verstärkung geholt: Auf Platz 2 ihrer EU-Wahlliste haben sie die parteilose Starköchin Sarah Wiener platziert. „Die Zukunft fängt ja nicht nur beim Essen an“, verkündet die 56-jährige deutsch-österreichische Gastronomin hoffnungsfroh im Wahlspot der Ösi-Grünen.

In den Umfragen rangiert die Partei derzeit immerhin wieder bei sieben Prozent. Das wäre genug für den Wiedereinzug ins Straßburger Parlament, jedoch zu wenig, damit neben Parteichef Werner Kogler auch taz-Kolumnistin Wiener mit dabei sein könnte.

Ebenfalls um den Parlamentseinzug zittern muss der Journalist und Filmregisseur Raphaël Glucksmann in Frankreich – und mit ihm sein gesamtes Wahlbündnis. Der 39-jährige Sohn des Philosophen André Glucksmann ist Spitzenkandidat von Envie d’Europe. Dahinter verbergen sich vor allem die Reste des einst stolzen Parti Socialiste (PS). Bei der Präsidentschaftswahl 2017 wurde die einstige Partei François Mitterrands beinahe atomisiert. Unter dem Wahlspruch „ökologisch und sozial“ hat sie sich jetzt für die EU-Wahl mit verschiedenen kleineren linken und linksliberalen Gruppen zusammengetan. In den letzten Umfragen bewegt sich die Liste Envie d’Europe – („Lust auf Europa“) hart an der in Frankreich gültigen Fünfprozenthürde. „Unsere Liste ist der Embryo dessen, was die Linke in den kommenden Jahren wiederherstellen wird“, sagte Glucksmann junior hoffnungsfreudig bei der Vorstellung des Wahlprogramms am Sonntag in Paris.

Der propagierte „europäische Frühling“lässt zumindest in Frankreich auf sich warten

Gerne hätte Glucksmann die erst im Sommer 2017 gegründete Génération.s von Benoît Hamon mit in sein Wahlbündnis geholt. Doch der wollte mit seiner kleinen Truppe lieber alleine kandidieren. Hamon gehörte bis vor zwei Jahren noch zum linken Flügel des Parti Socialiste und war dessen Kandidat bei der vergangenen Präsidentschaftswahl, wo er mit 6,4 Prozent bitter abschmierte. Nachdem der frühere Bildungsminister bei der Wahl zur Nationalversammlung im Juni 2017 auch noch seinen Wahlkreis verloren hatte, verließ er die PS und gründete die ökosozialistische Génération.s, die sich der paneuropäischen DiEM25-Bewegung des früheren griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis angeschlossen hat. Der von ihr propagierte „europäische Frühling“ lässt allerdings zumindest in Frankreich auf sich warten.

Ob die eigenständige Kandidatur von Génération.s eine kluge Idee war, ist fraglich. Zurzeit noch mit drei Ex-PS-Abgeordneten im EU-Parlament vertreten, liegt die Hamon-Truppe in Umfragen gleichauf mit dem traditionsreichen, aber schon länger schwächelnden Parti Communiste Français (PCF) bei drei Prozent – und ist damit weit entfernt, die Sperrklausel zu überwinden.

Besser sieht es für La France insoumise („Unbeugsames Frankreich“) aus. Die Partei des Linksnationalisten Jean-Luc Mélenchon wird von den DemoskopInnen gegenwärtig auf neun Prozent taxiert und liegt damit um einen Prozentpunkt vor den französischen Grünen. Bei der vergangenen Präsidentschaftswahl hatte Mélenchon mit 19,6 Prozent nur knapp die Stichwahl verpasst.

Wie auch immer die EU-Wahl ausgeht: Der 67-jährige Mélenchon wird dem kommenden EU-Parlament nicht angehören. Denn seine Kandidatur ist nur eine symbolische: Der „Thatcher der Linken“ (Glucksmann) steht auf dem 78., dem vorletzten Platz seiner Wahlliste. Was eine Gemeinsamkeit mit einer anderen gescheiterten französischen Präsidentschaftskandidatin ist, und zwar der Grünen Eva Joly, die auf ihrer Liste den gleichen Platz einnimmt. Die Juristin hatte sich 2012 vergeblich um die Präsidentschaft beworben.

Eine gewisse internationale Bekanntheit erlangte Joly, die vor ihrer Politkarriere oberste Untersuchungsrichterin im französischen Finanzministerium war, durch ihren unermüdlichen Kampf gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität. Dass die 75-jährige Europaabgeordnete nun in den Ruhestand geht, dürfte besonders einen Politiker freuen: Silvio Berlusconi. In den vergangenen sechs Jahren wegen Steuerbetrugs mit einem Ämterverbot belegt, feiert der viermalige Ministerpräsident Italiens bei der EU-Wahl sein Comeback als Spitzenkandidat von Forza Italia.

An der Seite des 82-jährigen Bunga-Bunga-Cavaliere steht eine nicht minder schillernde Persönlichkeit: Alessandra Mussolini, die sich bis heute dem Erbe ihres Großvaters Benito eng verbunden fühlt. Und noch eine andere Partei hat Mussolini im Angebot: Die faschistische Fratelli d’Italia, die laut Umfragen ebenfalls mit dem Einzug ins EU-Parlament rechnen kann, schickt Caio Giulio Cesare Mussolini ins Rennen, Urenkel des „Duce“ und Alessandras Cousin zweiten Grades.

Da auch noch die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini sehr gute Aussichten hat, bei der EU-Wahl stärkste Partei zu werden, herrscht bei der Rechten in Italien beste Stimmung.

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums sieht es hingegen noch schlechter aus als in Frankreich: Das linke Wahlbündnis La Sinistra sehen die DemoskopInnen im Moment bei zwei, die Grünen sogar nur bei einem Prozent. Damit sind ihre Erfolgsaussichten ähnlich düster wie die der sozialdemokratischen Kleinpartei Nationale Union für den Fortschritt Rumäniens.

Dabei tritt die immerhin mit einem Spitzenkandidaten an, der mal wusste, wie man gewinnt. Allerdings hat die rumänische Tennislegende Ilie Năstase seine beste Zeit schon einige Jahrzehnte hinter sich. In jüngster Vergangenheit sorgte der 72-Jährige nur noch mit verbalen Ausfällen und handfesten Raufereien für Schlagzeilen. Womit seine Aussichten denen der französischen und italienischen Linken frappierend ähneln.