Folterritual in Jugendakademie

Jahrelang hat es am Nachwuchszentrum des Handball-Meisters SG Flensburg-Handewitt brutale Aufnahmerituale gegeben. Jungen wurden mit einer Rohrzange die Brustwarzen umgedreht

Von Jean-Philipp Baeck

Eigentlich hätte für den deutschen Handball-Meister SG Flensburg-Handewitt das Nordderby gegen den THW Kiel das große Ereignis des Wochenendes sein sollen. Es war ein Spiel im Endspurt um die Meisterschaft. Letztendlich siegten die Tabellenzweiten aus Kiel am Sonntag mit 20:18 gegen die Tabellenführer aus Flensburg. Beide Mannschaften haben nun weiterhin Chancen auf den Handball-Meistertitel.

Doch für weitaus mehr Diskussionen über die SG Flensburg-Handewitt sorgten am Wochenende Berichte, die Misshandlungen in der Jugendakademie des Vereins aufdeckten. Wie Der Spiegel sowie der NDR recherchierten, gab es dort ein grausames Aufnahmeritual unter den 14- bis 17-Jährigen. Beide Medien schildern die Aussage eines damals 16-Jährigen, der 2015 von drei bis vier Jungen festgehalten und gefoltert wurde. Nachdem er sein T-Shirt ausziehen musste, habe ihm einer der Peiniger mehrfach mit einer Rohrzange die Brustwarzen umgedreht. Andere Jugendliche hätten zugesehen. Nach den traumatischen Erlebnissen musste der Junge in Therapie und hörte schließlich auf, Handball zu spielen.

Das Aufnahmeritual soll es laut dem NDR seit der Gründung der Jugendakademie im Jahr 2008 gegeben haben. Wie aus einem Brief des Akademiezentrums an alle Eltern hervorgehe, sei das Ritual von den jugendlichen Bewohnern „Die Zange“ genannt und bis mindestens 2016 von allen Neulingen einmal durchlaufen worden.

Eine Sprecherin des Vereins bestätigte, dass es jahrelang und mehrfach zu dem Ritual gekommen sei. „Wir verurteilen den beschriebenen Vorfall aufs Schärfste und bedauern diese Vorkommnisse sehr“, teilte sie am Samstag mit, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet.

Unmittelbar nach dem Bekanntwerden sei begonnen worden, die Vorgänge aufzuklären, hieß es in einer Mitteilung. Es sei ein umfangreicher Maßnahmenkatalog erstellt und umgesetzt worden. „Seit dem Vorfall im Jahre 2016 sind keine weiteren Vorfälle bekannt geworden“, sagte der Akademie-Geschäftsführer Lewe Volquardsen.

Laut dem Bericht des Spiegels erzählen Jungen aus der Handball-Akademie, dass das Ritual mittlerweile wieder eingeführt worden sei. Auch der NDR widerspricht der Darstellung des Vereins. Demnach habe die Akademieleitung zunächst wenig Verständnis gezeigt, nachdem sich der Vater eines misshandelten Jungen 2016 beschwert hatte. Vielmehr soll einer der Verantwortlichen dem Jungen gesagt haben, dass es „jetzt auch einmal gut sein müsse“ und er „sich wieder in die Gemeinschaft eingliedern“ solle.

Außer einem Gespräch mit dem Jugendlichen sei wenig passiert. Als die Familie den Vertrag mit der Akademie wegen der Körperverletzung auflösen wollte, habe die Akademie das nicht anerkannt und später einen Deal angeboten, wenn sie über die Vorfälle schweige.

Wie der NDR recherchierte, mangelte es anscheinend auch an der Aufsicht über die Minderjährigen: Ab 18 Uhr seien die 14- bis 17-Jährigen in der Akademie damals meist völlig allein gewesen.