Sarah Wiener Die Zutat
: Medizin kannauch schmecken

Foto: Sarah Wiener GmbH

Der Duft von Holunderblüten ist für mich ein prägnanter Frühlings-Kindheitsgeruch. Auf dem Spielplatz versuchten wir früher, aus den leicht hängenden Dolden den gelben Pollen zu „zutzeln“, weil der so schön leicht süßlich schmeckte.

Bald ist der Hollergeruch wieder in aller Nasen: An Straßen und Hausrändern, in Parks und auf brachliegenden Feldern erblühen die Holunderbüsche, die man in Norddeutschland auch als Fliederbeeren kennt. Man muss aufmerksam sein, um die Erntezeit nicht zu verpassen: Spätestens Anfang Juli sind die Büsche verblüht. Und auch auf den Erntezeitpunkt kommt es an. Während länger anhaltender Hitzeperioden, aber auch nach intensiven Regenschauern verlieren Holunderblüten ihren Geschmack. Am aromatischsten schmecken die Dolden nach einer Periode mit trockenem, aber nicht zu heißem Wetter.

Die sehr robusten Hollergehölze stehen oft dort, wo Menschen siedeln. Kein Zufall: Früher wurde der Holler als Schutz- und Heilstrauch verehrt. Er beherbergte die Schutzgöttin der Häuser und hielt böse Hausgeister fern. Die Nähe zum Haus hatte auch andere Gründe. Alle Teile des Holunders – Wurzel, Rinde, Blüten, Blätter und Beeren – wurden in der Hausapotheke eingesetzt.

Bei Erkältungen hilft übrigens nicht nur der Saft der Beeren, auch Holunderblüten lindern durch ihre ätherischen Öle und schweißtreibenden Glykoside Beschwerden. Bei trockenem Husten oder Infekten der Atemwege kann ein Teeaufguss oder Dampfbad aus getrockneten Holunderblüten Abhilfe schaffen.

Medizin kann also auch schmecken. Und sogar Dessert sein – ausgebacken in süßem Teig. Dafür braucht man etwa acht Dolden vom Hollerbusch. Diese nicht waschen, sondern nur leicht ausschütteln und von Insekten befreien. So bleibt möglichst viel Blütenstaub erhalten und der transportiert den Geschmack.

Die Köchin Sarah Wiener stellt hier jeden Monat eine ihrer Lieblings­zutaten vor.

Heute: die Holunder-blüten.

Für den Teig 200 ml Vollmilch (am besten Heumilch) und ein Ei mischen. In einer anderen Schüssel 100 g Mehl (Dinkel geht auch gut, dann wird es etwas nussiger), eine Prise Salz und 2 EL Zucker vermengen. Wer schon Hollersirup in seiner Vorratskammer stehen hat, kann den Zucker durch 50 ml Sirup ersetzen – dann schmeckt es noch aromatischer.

Die Ei- und Mehlmischungen vermengen und etwa 15 Minuten quellen lassen. Butterschmalz in einem Topf erhitzen. Die Dolden nacheinander in den Teig tauchen, kurz abtropfen lassen und im Fett ausbacken, bis sie eine schöne goldgelbe Farbe angenommen haben. Vor dem Servieren mit etwas Puderzucker bestreuen und mmmmmh … so schmeckt der Frühsommer!