Bring den Vorschlaghammer mit, wenn du heute Abend kommst

Frustabbau, Konsumkritik oder Angstüberwindung? Auf Kate McIntoshs „Worktable“ lassen sich Dinge zu Schrott schlagen

Das wird kein gutes Ende nehmen für die Objekte unterm Hammer Foto: Kate McIntosh/Schwankhalle

Von Jens Fischer

Den Dingen des Alltags mal auf den Grund gehen, sie begreifen, hineinblicken und sie in Einzelteile zerlegen – oder sie mal die aufgestaute Aggression spüren lassen, die ihre ästhetische Präsenz oder symbolische Bedeutung verursacht. „We provide the hammer – you do the rest“ steht in großen Lettern an der Schwankhalle. Zu knallhart interaktivem Theater lädt sie an einen „Worktable“, wie Kate McIntosh ihre „Live-Installation“ von Hobbyräumen nennt. Jeder ist selbst Performer und sein eigener Zuschauer.

Es gilt, eines der im Foyer ausgestellten Objekte auszuwählen, es zu „zerlegen, zu zerschmettern oder zu zerreißen“. So die Anweisung. 220 Gegenstände haben die Verantwortlichen dafür nach Anweisung der Künstlerin auf Flohmärkten, Dachböden, bei Internetbörsen oder im Sperrmüll zusammengesammelt. Nun warten sie in Regalen auf ihre Dekonstruktion: Prinz-Eisenherz-Roman, rote Rose, Globus, Schreibmaschine, Kaktus, ausgestopfte Kohlmeise, Bierseidel, eine taz-Ausgabe, Tannenzapfen, Omas Teeservice, Opas Fotoapparat, Papas Hut, Mamas Likörglas, Sohnemanns Turnschuh, … Herrlicher Plunder!

Mir steigt feierabendlich weniger die Entdecker-, mehr die Zerstückelungslust zu Kopfe und ich wähle daher einen lebensgroßen Porzellanhund. Der ist der Vernichtung würdig – als kitschhässlicher Staubfänger und Projektionsobjekt für Erinnerungen an unliebsame Begegnungen mit mies erzogenen Kötern. Stolz schreite ich wie ein Terminator allein in den Werkraum, wo ein kompletter Werkzeugkofferinhalt wartet.

Also Schutzbrille aufgesetzt, eine letzte taktile Oberflächenerkundung beim Hund gestartet, dann Farbe weggeschliffen, ein Ohr abgesägt, Augen durchbohrt, Pfote hinfortgemeißelt sowie mit Hammer und Brechstange im Sinne der Entropie tätig geworden. Die Tierskulptur zersplittert und zerstäubt. Ein höchst privates Erlebnis, dieser dezent befreiende, zumindest entspannende Akt der Gewalt. Darf das sein? Oder muss das sogar ab und an mal sein? „Bring den Vorschlaghammer mit, / wenn du heute Abend kommst“, sang ja schon Sven Regener, „dann hauen wir alles kurz und klein.“ Andere Besucher stimmt Entzweischlagen eher traurig, wie sie sagen, sie stöbern daher liebevoll im Inneren einer Uhr herum und wollen erforschen, wie die tickt.

Mir steigt feier-abendlich weniger die Entdecker-, mehr die Zerstückelungslust zu Kopfe.

Irgendwann muss der brutal oder zart derangierte Gegenstand in Raum 2 abgeliefert werden – und der Täter sich verwandeln. Nun soll er Heiler sein oder Schöpfer neuer Formen. Heftzwecken, Nadel und Faden, Gummi- und Klebebänder sowie Kitt diverser Art stehen bereit. Zur Kontrastierung und Inspiration werden in diese Recreation-Arena die Geräusche aus den Verheerungsräumen übertragen. „Es gibt dieses Gefühl, dass viele der Probleme der Welt zu groß sind, um sie zu lösen, dass wir als Individuen einer Art kollektiver Hilflosigkeit ausgesetzt sind. Ich versuche, diese Idee ein wenig zu stören“, sagte Kate McIntosh im Interview mit der australischen Zeitung The Age. Die Angst vor den Auswirkungen eines Erdbebens sei ein Auslöser für dieses Kunstprojekt gewesen. Angesichts all der angerichteten Schrotthaufen soll also der Mut wachsen, diese als 3-D-Puzzle anzunehmen.

Ich wähle Splitter einer Schallplatte mit Peter-Alexander-Hits. Denn „Wunderbares Mädchen“ hat mein Vater mal für meine Mutter gespielt. Die in Vinyl gepresste Sentimentalität muss doch weiterleben. Aber ein Schallplattenspieler-tauglicher Zustand ist nicht herbeizufriemeln. Totales Scheitern meinerseits. Trotzdem geht es in Saal 3. Dort sind alle Arbeitsergebnisse auszustellen. Wie faszinierend ist das denn! Die meisten „Worktable“-Nutzer versuchen nicht, den Originalzustand bestmöglich wieder herzustellen, sondern folgen dem Picasso-Diktum: „Der Drang zu zerstören, ist auch ein kreativer Akt.“ Also ringen sie den Fragmenten frische Bedeutungen ab – und erfinden sie mit mehr oder weniger handwerklicher Geschicklichkeit als Kunstwerke neu. Vollenden die Demontage als kreativen Akt. Einige zaubern aus Müll beeindruckend fragile Konstruktionen.

Sa, 11. 5., und So, 12. 5., 12–19 Uhr, Schwankhalle. Unbedingt anmelden: ☎0421-520 80 70