Der Stein im Schuh

Von Pressefreiheit kann in Kuba nicht die Rede sein. Die Journalist*innen versuchen dennoch, sich Spielräume zu erkämpfen

In Kuba gibt sich die Regierung der alten Sehnsucht hin, die Bürger erziehen zu können. Jahrzehntelang war die kubanische Presse ein Spiegel dieser Realität. Aber die Zeiten ­ändern sich. Ohne dass die politischen Machthaber ihre totalitäre Vision von der Rolle der Presse aufgegeben hätten, entscheiden sich immer mehr Reporter*innen und Blogger*innen für einen hochwertigen Journalismus außerhalb der Parteimaschinerie. Die unmittelbare ­He­rausforderung lautet: Wir müssen überleben:die wirtschaftlichen Nöte, die Verleumdungskampagnen, die Rechtsunsicherheit. Aber vor allem gilt es, die von den Machthabern gesetzten Grenzen des Berufs neu zu definieren.

Es gibt eine feine Linie, die beide Seiten nicht überschreiten. Die Grenze ist nicht fest, sie verschiebt sich ständig. Abhängig von der politischen Konjunktur, geht es mal nach vorn und mal zurück. Doch stets versuchen wir, Spielräume zu erobern. Wir haben dieses Spiel perfektioniert. Die kubanischen Behörden sind nicht glücklich über unsere Existenz. Wir sind wie ein Stein im Schuh, den sie lieber loswerden würden. Aber das können sie nicht, ohne der Öffentlichkeit ihre löchrigen Stinkesocken zu zeigen.

Anders gesagt: Die Regierung toleriert uns, weil sie den demokratischen Schein aufrechterhalten will, insbesondere gegenüber der EU. Sie will ihren Handelspartnern nicht das Image einer Diktatur bieten. Das ist einer unserer größten Trümpfe. Doch die Intransparenz der Behörden macht es uns ohnehin fast unmöglich, an sensible Informationen zu gelangen.

Damit die Grenze unüberwindbar bleibt, legen uns die Machthaber Hindernisse in den Weg, mehr aber nicht. Sie müssen uns nicht verschwinden lassen oder einsperren, wie es in anderen Staaten geschieht. Es genügt ihnen, uns systematisch spüren zu lassen, dass sie es sind, die unser Schicksal in den Händen halten. Dazu gehört die Macht, uns von einem Tag auf den anderen auszuradieren.

Die Funktionäre ergreifen nur deshalb keine viel drastischeren Maßnahmen, weil die politischen Kosten einer Welle von Verhaftungen von Journalisten heute ihrer Einschätzung nach höher wären als die unserer Arbeit – eine einfache Kosten-Nutzen-Rechnung. Deshalb sind wir kubanischen Journalisten verwundbar. Niemand kann uns schützen. Die Machthaber hingegen prahlen mit ihrer Unantastbarkeit. Unsere einzige Verteidigung besteht in der Qualität unserer Arbeit, dem Respekt und die Unterstützung, die wir uns international erarbeitet ­haben. Julio ­Batista

Rodríguez

Übersetzung: Bernd Pickert