„Frauen wägen stärker ab“

SPD-FRAKTION Für die Wahl zum Vorsitzenden haben sich nur Männer gemeldet. Die Frauen wollten nicht, sagt die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratische Frauen

■ ist seit 2006 Bremer Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF). Foto: ASF

INTERVIEW VON ANNA GRAS

taz: Frau Ahlers, die SPD-Fraktion hat Björn Tschöpe zum Vorsitzenden gewählt. Kandidiert haben nur Männer. Wieso?

Annegret Ahlers: Das hat mich nicht wirklich überrascht. Für uns als ASF gab es schon bei der Ankündigung der Bundestagskandidatur die Frage, warum es Carsten Sieling und keine Frau wurde. Wir haben gesagt, okay – aber dann soll Sieling beim Fraktionsvorsitz eine Frau folgen.

So kam es aber nicht.

Es waren Frauen im Gespräch, aber die wollten irgendwann nicht mehr. Uta Kummer etwa hat eine ganze Weile eine Rolle gespielt. Bei ihr dachten wir, sie würde sich durchsetzen. Als haushaltspolitische Sprecherin ist sie mit allen Themen befasst. Dann spielt die Frage, Mann oder Frau, keine Rolle mehr.

Kummer wollte dennoch nicht kandidieren. Woran liegt das?

Auf der persönlichen Ebene mag man sich sagen, ich kann das und ich mache das. Wenn ein solches Vorhaben öffentlich wird, kommen die Fragen – von Männern wie von Frauen. Einige mögen sagen, du hast keine Chance. Dann kommen die Zweifel. Frauen geben da eher auf. Sie wollen sich nicht beschädigen lassen.

Deshalb ziehen sie nicht durch?

In Bremen ist es schwer als Frau an der Spitze. Frauen bleiben hier lieber auf dem Balkon und gucken den Männern zu, die unten Politik machen. Das mag abgedroschen klingen, aber sie wollen nicht so stark kämpfen. Zumal es hier um Dinge geht, um die Männer oft gar nicht kämpfen müssen. Sie werden zuerst gefragt und vorgeschlagen.

Die SPD-Fraktion besteht zur Hälfte aus Frauen. Da könnte doch durchaus eine Frau vorgeschlagen werden.

Ich gehe davon aus, dass es für die SPD-Frauen eine pragmatische Entscheidung war, Tschöpe zu wählen. Vielleicht hat man sich einfach gesagt, die Frauen machen in ihren Bereichen weiter und für die Gesamtvertretung ist man mit einem kräftigen Mann wie ihm gut beraten. Wenn er alle Instrumente zum Gender-Aspekt gut einsetzt, kann auch ich mit Tschöpe als Vorsitzenden leben.

Was ist mit der Symbolkraft, die eine Frau an der Spitze hat?

Die spielt natürlich eine Rolle. Bei Personalentscheidungen ist aber immer wieder der Punkt, dass Frauen im Vorfeld im Gespräch sind, aber nicht, wenn es konkret wird.

Werden sie ausgebremst?

Das ist kein Ausbremsen. Frauen wägen stärker ab, irgendwann überwiegen die Negativaspekte einer Kandidatur. Nicht an der Spitze zu sein, bedeutet nicht, ohne Einfluss zu sein. Viele Frauen ziehen im Hintergrund die Strippen.

Das klingt, als fänden Sie das in Ordnung?

Ich bin pragmatisch. Man muss schauen, was zu tun ist, damit beim nächsten Mal eine Frau kandidiert. Aber die kann man sich ja nicht schnitzen. Nachwuchsfrauen wie die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel haben da schon weniger Hemmungen.

Würde es nicht auch die bestärken, durch Frauen in hohen Ämtern repräsentiert zu sein?

Es wäre sicher wichtig, wenn mehr ältere Frauen vorkämpfen. Es könnten auch Vorgaben für Personalentscheidungen wie diese helfen. Damit könnten wir auch die Appell-Ebene verlassen. Bei der SPD-Frauenquote hat das geklappt. Irgendwann hat keiner mehr gefragt, ob es nun eine Quotenfrau ist oder nicht.