„Manche von uns waren sehr entsetzt“

Die Gruppe Antifa-Altona-Ost will die Straßen von rechtsextremen Aufklebern freihalten. Sie sieht sich von Hamburgs Verfassungsschutz kriminalisiert

Interview Kaija Kutter

taz: Wieso heißt ihr Antifa-­Altona-Ost?

Luis* (18): Weil viele von uns im östlichen Altona wohnen und auf St. Pauli und in der Sternschanze.

Jan* (20): Außerdem klingt’s ganz gut.

Warum habt ihr euch gegründet?

Jan: Begonnen hat das mit den „Merkel muss weg“-Demos im März letztes Jahr. Als es anfing, dass auch hier bei uns in Hamburg Idioten auf die Straße gehen und rassistische Parolen rufen, war es für uns an der Zeit, etwas zu tun.

Wusstet ihr, dass der Verfassungsschutz euch beobachtet?

Luis: Ja, seit der ersten Anfrage der AfD zu unserer Gruppe. Die scheinen uns auf dem Kieker zu haben, weil wir viel gegen ihr Petzportal unternommen haben.

Was ist das für ein Gefühl, im Visier des Staates zu sein?

Jan: Gruselig. Manche von uns waren sehr entsetzt. Andere sagten, das war erwartbar. Schließlich hat auch der Verfassungsschutz eine politische Agenda.

Luis: Wir waren aber schon überrascht, dass die Presse der AfD so auf den Leim geht.

Ihr seht euch kriminalisiert?

Jan: Natürlich sehen wir uns kriminalisiert, wenn uns ohne jede Grundlage Gewaltbereitschaft attestiert wird und wir in der Bürgerschaft als Schlägertrupps bezeichnet werden. Und dass nur, weil der Hamburger Verfassungsschutz eine Behauptung aufstellt. Dass eine Behörde mit solchen Mängeln eine solche Deutungshoheit besitzt, ist fatal.

Luis: Und begründet wird diese Behauptung damit, dass wir Kontakt zu anderen ­Antifa-Gruppen haben und das wir selbst Antifa heißen. Jede*r sollte zur Antifa gehören. Dieser Name sagt nichts über die Einstellung zur Gewalt.

Wie steht ihr denn dazu?

Jan: Wir sind nie durch Gewalt aufgefallen. Deswegen sehen wir keinen Grund, etwas dazu zu sagen.

Luis: Über Sticker kann man streiten. Aber daraus ein „linksextremes Netzwerk“ herzuleiten, überspannt den Bogen.

Der Verfassungsschutz begründet diese Einordnung damit, dass Antifa-Gruppen der Dimitrow-These folgten. Demnach sei der Kapitalismus die Ursache für Faschismus, die es zu überwinden gilt.

Luis: Wir kennen die Dimi­trow-These nicht. Ich würde sagen, dass wir einen eigenen Faschismus-Begriff haben.

Jan: Wir sind aber durchaus auch eine antikapitalistische Gruppe. Dass Kapitalismus und Faschismus zusammenhängen, wollen wir gar nicht bestreiten. Das sieht man in Tendenzen auch bei der AfD-Wählerschaft.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz schreibt auf seiner Homepage, Kapitalismuskritiker seien noch keine Ex­tremisten und müssten nicht befürchten, beobachtet zu werden. Kennt ihr diesen Passus der Frequently Asked Questions?

Jan: Nein. Das ist nett vom Verfassungsschutz, wenn er das schreibt. Warum hält er sich nicht dran?

Da steht, das gilt, solange man zur demokratischen Grundordnung steht, zum Beispiel zu freien Wahlen und Meinungsfreiheit.

Jan: Ich glaube nicht, dass jemand bei uns das nicht eine gute Sache findet.

Was bedeutet „Antifa-Area“, das steht auf einem der Sticker?

Luis: Es heißt immer, in Altona gebe es keine Nazis. Aber wir haben immer mehr rechte Aufkleber entdeckt, zum Teil fiese Sachen. Wie „Nafri go home“ oder „,Dein Land braucht dich‘, der Abschiebehelfer“ und daneben dann ein Baseballschläger.

Jan: Das ist tatsächliche Gewaltpropaganda.

Luis: Wir sehen es als unsere Aufgabe, dass so etwas nicht klebt. Da gibt es einen Kampf um die Straßenlaternen. Wir haben Zettel aufgehängt, an die Anwohner, dass sie achtsam sein sollen. Wir wollen zeigen, dass wir aufpassen.

Seid ihr eine kleine Jugendbewegung?

Luis: Anhand der Sticker, die kleben, merken wir, dass uns viele gut finden.

Habt ihr Angst vor einem neuen Faschismus?

Luis: Ja. Sonst würden wir nicht diese Arbeit machen.

*Namen geändert