Putin’s gang, fuck them!

Pussy Riot auf Tour in Lateinamerika

„Feminismus und Punk kommen dann zusammen, wenn man wenige Leute hat, aber viel Wut. Dann muss man laut sein“, Pussy-Riot-Mitglied Nadja Tolo­konnikowa sitzt am Sonntagabend auf der Bühne des Niceto Clubs in Buenos Aires. „Wir haben in Moskau zu dritt mit Pussy Riot angefangen. Vielleicht funktioniert es in Argentinien auch ohne Punk. Die feministische Bewegung hier ist größer als alles, was ich bisher gesehen habe.“ Es ist die erste Lateinamerikatour des Performancekollektivs, die in Lima begann und in São Paulo enden wird.

Tolokonnikowa erscheint vermummt und in Adiletten zur Pressekonferenz. Dann nimmt sie ihr grünes Tuch vom Gesicht und nippt an einem Fernet-Branca, pur und aus der Flasche, nicht wie in Argentinien üblich mit Cola und auf Eis. „Wir kommen aus der antifaschistischen Undergroundszene Moskaus. Masken zu tragen gehört zu unserem Selbstverständnis. Denn es geht um die Ideen hinter den Aktionen, nicht um die Einzelpersonen und ihre Gesichter.“

Das Setting des Niceto Clubs, in dem die Logos von Red Bull und argentinischen Banken über der Bar blinken, passt weder zu dem, was die Aktivistin erzählt, noch zum Publikum. Das besteht hauptsächlich aus jungen Frauen, die sich zunächst über den übertriebenen Eintrittspreis von umgerechnet 17 Euro aufregen. Viel Geld in Zeiten der sogenannten „Macrisis“, einer Fusion von „Krise“ mit dem Namen des argentinischen Präsidenten Macri.

Tolokonnikowa erzählt von ihrer Zeit im Gefängnis. 2012 wurde sie bei der Performance des „Punk Prayers“ in Moskau festgenommen. Heute fährt sie regelmäßig über 4.000 Kilometer mit der Transsibirischen Eisenbahn ins Straflager von Krasnojarsk, um die ehemaligen Mitinhaftierten zu unterstützen. Auch wenn die Lebensrealitäten in Russland unglaublich weit weg scheinen, kommen die Botschaften von Pussy Riot an.

Über zwei Stunden und in rasend schneller Abfolge beschallen dann fünf vermummte Frauen in Warnwesten die Menge mit Musik, Infos und Bildern. Musikalisch ist Pussy Riot mittlerweile mehr HipHop und Trap als Punk. Die Visuals sind professionell produziert, aber bleiben bei der gewohnten Ästhetik: brennende Autos und Polizisten mit Schlagstöcken. Es ist bislang unveröffentlichtes Material. „Emanzipatorische Künstler*innen wandern in Russland in den Knast. Unsere Konzerte sind verboten.“ Die englische Übersetzung einer der Texte läuft im Hintergrund über die Leinwand. „Immer mehr Menschen wollen Veränderung. Putin’s gang, fuck them!“

Eine Aktivistin in pinkfarbener Sturmhaube stellt die Verbindung zum lateinamerikanischen Kontext her: Fuck Macri, fuck Bolsonaro, die feministischen Bewegungen werden euch stürzen. Im Publikum binden sich einige das grüne Panuelo, das Symbol der Kampagne zur Legalisierung von Abtreibungen, vors Gesicht. Draußen gibt es billiges Dosenbier.

Julia Wasenmüller