Journalismus zeigt Nebenwirkung

TODESSTRAFE Keine Hinrichtungen in den USA mit europäischen Medikamenten

Der deutsche Pharmahersteller Fresenius Kabi will den Vertrieb des Narkosemittels Propofol in den USA stark beschränken. So will das Bad Homburger Unternehmen verhindern, dass das Medikament für Hinrichtungen in amerikanischen Gefängnissen verwendet wird. Damit reagierte der Pharmakonzern auch auf die Berichterstattung in der taz.

In der sonntaz vom 1. September haben Heike Haarhoff, Johannes Gernert und ich darüber berichtet, dass der US-Bundesstaat Missouri für seine Hinrichtungen in Zukunft Propofol verwenden will und dass das Mittel von der deutschen Firma Fresenius Kabi in die USA geliefert wird. Fresenius Kabi hat zurzeit das Monopol in den Vereinigten Staaten. Zwar wehrte sich das Unternehmen schon vorher dagegen, das Medikament an Gefängnisse zu verkaufen. Eine Kontrolle war aber nach dem bisherigen Vertriebssystem nicht möglich.

Nach der Berichterstattung der taz, und vor allem auf Druck der britischen Nichtregierungsorganisation Reprieve, stellte der Konzern nun das gesamte Betriebssystem um: Propofol soll nur noch über vierzehn geprüfte Zwischenhändler verkauft werden. Die mussten sich vertraglich verpflichten, das Medikament, das üblicherweise für Vollnarkosen in Arztpraxen und Krankenhäusern verwendet wird, nicht an Gefängnisse, Strafvollzugsanstalten und Gefängniskrankenhäuser zu verkaufen. Verstößt ein Händler gegen den Vertrag, verliert er umgehend das Recht, Propofol weiter zu vertreiben. „Fresenius Kabi hat sehr schnell reagiert. Sie wollten unbedingt verhindern, dass sie mit Hinrichtungen in Verbindung gebracht werden. Ich bin sehr froh“, sagte die Menschenrechtsaktivistin Maya Foa von Reprieve nach der Entscheidung von Fresenius Kabi.

Es ist bereis das zweite europäische Pharmaunternehmen, das den Vertrieb von Narkosemitteln in den USA beschränkt. Im vergangenen Jahr hat die dänische Firma Lundbeck einen ähnlichen Schritt für Sodium Thiopental angekündigt. Dieses Medikament wurde bisher in den USA in den Giftcocktails für die Hinrichtungen verwendet.

Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Europäischen Parlament, Barbara Lochbihler, begrüßte die Entscheidung von Fresenius Kabi. Der Einsatz von Reprieve und die Berichterstattung hätten dazu beigetragen, meint die EU-Abgeordnete der Grünen. Sie will aber trotz der Selbstverpflichtung darauf hinwirken, dass Propofol zusätzlich mit einer Exportbeschränkung der Europäischen Union belegt wird, um zu verhindern, dass möglicherweise andere Hersteller das Medikament exportieren. Sie hat bereits eine entsprechende Anfrage an die Europäische Kommission gestellt. Die EU-Außenkommissarin Catherine Ashton hat angekündigt, den Fall zu prüfen, falls tatsächlich US-Bundesstaaten auf Propofol als Hinrichtungsmittel umsteigen sollten.

Im Dezember vergangenen Jahres hat die Europäische Union bereits die Narkosemittel Thiopental und Pentobarbital mit Exportbeschränkungen belegt. Die Zutaten für die Giftcocktails wurden in den US-Gefängnissen in der Folge knapp. Mehrere Hinrichtungstermine mussten verschoben werden. RUTH REICHSTEIN