Hauptsache Steuern runter

Wichtigstes Thema in Frankreichs Bürgerdebatte ist die Belastung durch Steuern, zeigt ein erstes Fazit

Aus Paris Rudolf Balmer

„Wir müssen die Steuern senken, und das rasch!“ Frankreichs Premier Edouard Philippe hat am Montag bei einem ersten Fazit der Bürgerdebatte zur Beruhigung der Gelbwesten-Krise eingeräumt, „die Toleranzgrenze bei der Steuerbelastung“ sei erreicht oder überschritten.

Präsident Emmanuel Macron hatte die „Große nationale Debatte“ im Januar als Reaktion auf die Proteste der Gelbwesten gestartet. In mehr als zehntausend Diskussionsveranstaltungen landesweit hatten Bürgerinnen und Bürger Vorschläge, Beschwerden und Hoffnungen vorgelegt. Am Montag im Pariser Grand Palais lag es dann an der Regierung, eine Zusammenfassung vorzulegen. Regierungschef Philippes Aufgabe bestand nun darin, den skeptischen Landsleuten zu versichern, dass die Staatsführung die Proteste der Gilets jaunes und die Anliegen der Bevölkerung anhört und zumindest teilweise berücksichtigen will.

Die Regierung und ein Aufsichtskomitee wurde von vier Umfrageinstituten dabei unterstützt, um die rund 1,5 Millionen mehr oder weniger detailliert registrierten Diskussionsbeiträge auszuwerten. Diese Zusammenfassung soll Macron als Grundlage dienen, um in den kommenden April- und Maiwochen konkrete Maßnahmen anzukündigen.

Der Präsident hatte in einem Schreiben an die Nation die Debatte selber auf vier Themenbereiche (Steuern und öffentliche Finanzen, Demokratie und Bürgerrechte, staatliche Institutionen, Klimapolitik und Energiewende) eingegrenzt. Bisher ließ sich der Staatschef aber nicht in die Karten schauen, er will ganz alleine entscheiden, wie er den Ergebnissen tatsächlich Rechnung zu tragen gedenkt. So ist weiterhin offen, ob er am Wochenende der EU-Wahlen Ende Mai oder zu einem späteren Zeitpunkt darüber eine Volksabstimmung abhalten möchte.

Die Bewegung der Gelbwesten, aber auch die Opposition von links und rechts hatte diese in ihren Dimensionen einzigartigen Debatten von Vornherein als „Blabla“ oder „Alibiübung“ kritisiert, die am Ende keine oder allenfalls unbefriedigend wenig Resultate zeitigen werde. Die Auswertung der Diskussionen lieferte nun eine Landkarte der Unzufriedenheit und Sorgen. Bezeichnenderweise kommen 70 Prozent der Beiträge aus ländlichen Gebieten, in denen sich die Bevölkerung oft hinsichtlich der öffentlichen Verkehrsmittel oder öffentlichen Dienstleistungen sowie generell sozial und wirtschaftlich benachteiligt fühlt.

Wie erwartet worden war, hat in den Beiträgen eine generelle Senkung der Steuer- und Abgabenlast, namentlich für Personen und Familien mit bescheidenem Einkommen, Priorität. Dem kam Philippe zwar mit seinen Äußerungen entgegen – zugleich aber schloss er eine Änderung der Haushaltspolitik aus. Auch ließ der Premier offen, welche öffentliche Ausgaben eventuell reduziert werden.

In der Debatte haben sich aber nach Angaben der Meinungsforscher BürgerInnen und Bürger häufig gewünscht, die Verteidigungsausgaben und die Wohnbeihilfen zu verringern. Nur in 2,7 Prozent der Beiträge werde hingegen ein Initiativrecht für die Bürger (RIC) zur Organisation von Volksabstimmungen über Gesetzestexte angestrebt. Solche Referenden waren bei den Demonstrationen der Gilets jaunes immer wieder gefordert worden.

Dem Premierminister zufolge ist ein anderes Anliegen der BürgerInnen das Bedürfnis nach mehr Solidarität und weniger Anonymität: „Wir leben in einem Land, wo man in bestimmten Zonen nicht mehr miteinander spricht, wenn die öffentlichen Dienste schließen.“ Es gelte darum, die Politik der Raumplanung zu überprüfen, um die ländliche Isolation zu bekämpfen.