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Partnersuche unter den Kleinen

Wahlsieger ist nicht gleich Premierminister: Welche Koalitionspartner bieten sich zur Regierungsbildung an?

Aus Jerusalem Susanne Knaul

Durch den Zweikampf zwischen Benjamin Netanjahu und Benny Gantz an den Rand gedrängt, kämpfen die kleineren Parteien bis kurz vor Öffnung der Wahlurnen um jede Stimme. 40 Listen stellen sich zur Wahl, 12 davon könnten den Einzug in die Knesset (Parlament) schaffen.

Für die Arbeitspartei, die in den ersten 30 Jahren nach Staatsgründung das Land regierte – das politische Lager von David Ben-Gurion, Golda Meir, Jitzhak Rabin und Schimon Peres – zeichnet sich eine Katastrophe ab. Mit nur rund zehn Mandaten wird sie schlechter abschneiden als jemals zuvor. Der neue Parteichef, Avi Gabai, ein erfolgreicher Unternehmer, sollte die Sozialdemokraten wieder auf die Füße stellen, riss sie am Ende jedoch nur noch weiter in die Tiefe, als er das Bündnis mit Zipi Livni beendete, der letzten Politikerin, die Friedensverhandlungen mit den Palästinensern führte. In ihrem Programm stehen die Sozialdemokraten zwar unverändert für „die Trennung von den Palästinensern“, halten aber gleichzeitig fest, dass ein Durchbruch im Friedensprozess auf absehbare Zeit kaum machbar sei.

Noch schwieriger dürften die kommenden Tage für Avigdor Lieberman werden, ehemals Außen- und Verteidigungsminister, mit einst treuer Wählerschaft der Immigranten aus Russland. Lieberman lockt mit einer strikt weltlichen Agenda, wie etwa standesamtlichen Eheschließungen und Wehrdienst auch für Fromme. Zur Lösung des Palästinenserkonflikts schweben ihm radikale Maßnahmen vor, wobei er nicht auf Annexion setzt, sondern auf eine Trennung auch von arabischen Israelis, die künftig zu Palästina gehören sollten. Lieberman propagiert die Todesstrafe für Terroristen und das Ausmerzen der Hamas. Immer mehr Wähler der zweiten Immigrantengeneration orientieren sich aber in Richtung anderer Parteien, die ähnliche Ziele wie Lieberman verfolgen. Er droht an der Sperrklausel zu scheitern.

Ein etwas sanfterer Einbruch zeichnet sich bei den arabischen Listen ab. Die arabisch-antizionistische Vereinte Liste motivierte bei den letzten Wahlen die Araber zur Stimmabgabe und stellte schließlich die drittgrößte Fraktion in der Knesset. Diesmal gehen Kommunisten, Nationalisten und Islamisten wieder getrennte Wege, was die Wahlbeteiligung im arabischen Sektor auf unter 50 Prozent fallen lassen könnte. In den sozialen Netzwerken laufen Kampagnen, die einerseits zur Stimmabgabe aufrufen, anderseits zum Boykott. Die Wahlgegner protestieren gegen die Tatsache, dass die arabischen Listen absehbar weder von Netanjahu noch von Gantz zum Mitregieren in der Koalition eingeladen werden.

Völlig neu und mit guten Chancen sind mehrere Parteien im Lager rechts außen, allen vor­an die Union der Rechten Parteien, die offen rassistisch die Vertreibung der Araber aus Großisrael verlangt. Dasselbe Ziel hält Mosche Feiglin in dem 344 Seiten umfassenden Programm seiner neuen Partei Sehut (Identität) fest. Feiglin will einen dritten Tempel bauen, lockt aber auf der anderen Seite die Anarchisten mit dem Ruf nach einer Legalisierung von Marihuana, Steuerkürzungen und radikalen Rationalisierungsmaßnahmen der Regierung und ihrer Institutionen. Der frühere Likud-Politiker gilt als Kandidat mit Überraschungspotential.

Zu den aussichtslosen Exoten gehören die Rentnerpartei, die Tierschützer, die Anhänger von Rabbi Nahman, die den Bau eines Flughafens in Uman fordern, die Partei „Einfach nur Liebe“ zwischen Juden und Arabern, der „Bibelblock“ der messianischen Juden, die auch an Jesus glauben, und den „Piraten“ gegen das Urheberrecht. Heraus sticht „Betah“ (dt.: Na klar) von Einzelkämpfer Semion Grafman, der zum ersten Mal antritt mit konventionellen Inhalten, wie verbesserter Gesundheitsversorgung, Rechtsstaatlichkeit und Wehrpflicht für alle, sie aber unkonventionell verpackt.