Allianzenbildung vor der EU-Wahl: Rechte wollen neue Fraktion gründen

Italiens Innenminister Matteo Salvini und der AfD-Mann Jörg Meuthen verkünden ein neues Bündnis. Sie wollen für eine „Festung Europa“ kämpfen.

Vier rechte weiße Männer an einem Tisch vor Mikrofonen.

Weiße Rechte unter sich – Matteo Salvini und Jörg Meuthen (Mitte) am 08. April 2019 in Mailand Foto: ap

MAILAND taz | Dass er auf einer Pressekonferenz beklatscht wird, dürfte Jörg Meuthen in Deutschland noch nie passiert sein. Am Montag aber konnten einige der weit über 100 Journalisten im Mailänder Nobelhotel Gallia nicht an sich halten und applaudierten dem AfD-Vorsitzenden. „Für ein Europa der Vernunft – Die Völker begehren auf“ war der Titel der Konferenz, zu der Italiens Innenminister Matteo Salvini eingeladen hatte und zu der offensichtlich auch sein Fanclub aus rechten Medien gekommen war.

Salvini selbst begnügte sich mit ein paar einleitenden Worten, die Neuigkeiten zu verkünden überließ er demonstrativ Meuthen: Die rechtspopulistischen Parteien wollen sich zu einer neuen Fraktion namens „Europäische Allianz der Menschen und Nationen“ zusammenschließen, berichtete der. „Wir wollen die EU an Haupt und Gliedern reformieren, aber nicht zerstören“, versicherte Meuthen. „Radikale Veränderungen“ soll es dennoch geben: Brüssel solle Kompetenzen und Macht an die „Heimatländer“ zurückgeben.

Programmatisch wird es dabei, wenig überraschend, vor allem um eines gehen: „Wir werden eine Festung Europa bilden müssen, in die wir nur die hineinlassen, die wir hineinzulassen bereit sind“, so Meuthen. „Die Australier haben es vorgemacht, Matteo zeigt uns exemplarisch, wie das geht.“ Europa müsse „verteidigt werden vor China und Afrika“, ergänzte Salvini.

Die Lega hatte eine solche Zusammenkunft aller „souveränistischen“ Parteien Europas zur Allianzenbildung vor der EU-Wahl schon für Februar angekündigt. Am Montag saßen allerdings neben Salvini und Meuthen nur Olli Kotro von der Partei Die Finnen und Anders Vistisen von der Dänischen Volkspartei auf dem Podium.

Die neue Parteienfamilie sei „neues Blut, neue Kraft, neue Hoffnung“ für Europa, sagte Italiens Innenminister Salvini

Doch dabei werde es nicht bleiben: „Gehen sie davon aus, dass in den nächsten Tagen einiges geschehen wird. Das hier ist die Initialzündung“, raunte Meuthen. „Es wird ein Haus mit mindestens einem Dutzend Bewohnern.“ Salvini sprach sogar von 15 Parteien, die Abwesenden hätten ihn beauftragt, „sie heute hier zu vertreten, sonst wäre es mit ihnen allen auf dem Podium unkomfortabel geworden“. Er nannte allerdings nur Belgien, Österreich und Frankreich.

Am 18. Mai, dem Samstag vor der EU-Wahl, soll, ebenfalls in Mailand, das „Richtfest“ der neuen Parteienfamilie steigen, sagte Meuthen. Dabei willkommen seien alle, für die „konservativ, freiheitlich und patriotisch nicht nur Worthülsen sind“, sagte Meuthen. Nicht willkommen sind auch viele: „Sozialisten, Kommunisten, Extremisten, Ökofaschisten, aus dem rechten und linken Lager“. Die skandinavischen Gäste beschworen die Gefahr des Multikulturalismus. Der drohe „Europa zu zerstören“, sagte Kotro. „Wir müssen die europäische Kultur stützen und nicht fremden Kulturen opfern.“ Der Däne Vistisen bekräftigte, der Schutz des „europäischen Kulturerbes“ sei „der Grund, warum wir da sind.“

Das Konzept: Rechtspopulis­tInnen in der EU bekämpfen transnational das liberale Europa. Ihre Agenda, Strategien und Netzwerke dokumentieren die taz und Partnermedien im Rechercherverbund Europe’s Far Right.

Die Mitstreiter: taz, Libération (Paris), Falter (Wien), Gazeta ­Wyborcza (Warschau), HVG (Budapest), Internationale (Rom), WOZ (Zürich).

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Die neue Parteienfamilie sei „neues Blut, neue Kraft, neue Hoffnung“ für Europa, sagte Salvini. „Sie sehen hier keine Leute, die Sehnsucht nach der Vergangenheit haben.“ Die hätten heute einzig „die in Brüssel“. Er trete für denselben „Traum von Europa“ ein, wie ihn Papst Johannes Paul gehabt habe: „Selbst er hat die unterschiedlichen Identitäten anerkannt, und man kann nicht sagen, dass er ein Populist war. Europa macht Sinn, wenn die Identitäten anerkannt werden. Wenn es nur auf Geschäften basiert, dann ist es nur ein Alptraum.“

Über Grenzschutz wurde lange gesprochen, über die Wirtschafts- und Außenpolitik nur kurz. „Made in Europe, Made in Germany, Made in Italy verteidigen“ wolle die neue Parteienfamilie, schädliche Handelsverträge „überarbeiten“, sagte Salvini. Die Russland-Sanktionen seien „bisher keine Lösung gewesen. Ich bevorzuge den Dialog.“

Träume vom rechten EU-Kommissionspräsidenten

Die Türkei hingegen kann nicht auf so viel Entgegenkommen hoffen: Es sei seltsam, dass die EU Strafen gegen Polen und Ungarn verhängt habe, aber seit Jahren Milliarden Euro an ein Land schenke, dass Europa „Konkurrenz macht“. Das müsse „unbedingt ­unterbrochen werden“, sagte Salvini. „Die Türkei hat mit Europa überhaupt nichts zu tun, sie wird nie Europa sein.“

Sein Koalitionspartner, die populistische Fünf-Sterne-Bewegung, hatte das Treffen in Mailand vorab skeptisch kommentiert. Cinque-Stelle-Chef Luigi Di Maio hatte erst am Vortag erklärt, er wolle mehr Rechte für das EU-Parlament, also genau das Gegenteil von dem, was den „Souveränisten“ vorschwebt. Salvini gab sich nicht die geringste Mühe, zu verbergen, wie wenig ihn das kratzt: „Ich kommentiere nicht, was meine Alliierten machen, lokale Polemik interessiert mich nicht. Die ist winzig klein im Vergleich zu unserem Projekt, Europa zu retten.“

Tatsächlich denkt Salvini längst über die römische Koalition hinaus. Schon im Oktober 2018 hatte Salvinis Vertrauter, der Lega-Innenminister Lorenzo Fontana, davon gesprochen, Salvini als Spitzenkandidat aller Rechtsparteien für die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu nominieren. Darauf angesprochen, wiegelte Salvini ab. „Wir gestalten von heute an die Politik der nächsten 50 Jahre, zurzeit habe ich keine persönlichen Ziele, was mich anbelangt. Wir werden mit unseren Freunden darüber reden.“ Einer der Freunde hat sich schon eine Meinung gebildet: „Matteo wäre der perfekte Präsident der Europäischen Union, viel qualifizierter als die vergangenen“, sagte Meuthen.

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