Klagen, wenn links nicht recht ist

Der AfD-Politiker Höns schlägt vor, die taz abzumahnen, weil sie nicht in seinem Sinne berichtet. Klagen zur Einschüchterung von JournalistInnen sind bundesweit ein Problem

AfD-Mann Höcke hebt die rechte Hand Foto: Jens Meyer/ap

VonJean-Philipp Baeck

Dass die AfD ein erkältetes Verhältnis zur Presse pflegt, ist spätestens seit dem Umgang der Partei mit dem Angriff auf ihren AfD-Bundestagsabgeordneten Frank Magnitz bekannt. Mit einem Foto seiner Wunde wollte er gezielt „Betroffenheit“ erzeugen und verbreitete haltlose Anschuldigungen. Ausschlüsse einzelner MedienvertreterInnen von Parteitagen und Pressekonferenzen (die auch die taz und den Autoren dieser Zeilen betrafen), JournalistInnen, die von AfD-PolitikerInnen bedrängt werden oder der Bremer Landes-Chef Magnitz, der einem Fotografen in die Kamera greift: Die Liste ist lang.

Wie die AfD gern mit der Presse umginge, zeigt sich nun in besonderer Weise auch ein einer Mail, die der Bremer AfD-Lokalpolitiker Gerald Höns Anfang der Woche an einen unbekannten Kreis an EmpfängerInnen versandte und die auch bei der taz landete.

Höns kommentiert darin die Berichte über einen Prozess, bei dem er am Donnerstag vor dem Bremer Landgericht gegen den Kulturverein „Zuckerwerk“ unterlag. Der hatte den AfD-Politiker auf Unterlassung verklagt, weil er den Verein in die Nähe von Straftätern und Brandstiftern rückte. Das darf er nun nicht mehr. Bei Zuwiderhandlung drohen ihm bis zu 250.000 Euro Strafe.

Dass er von der taz dazu zwar am Verhandlungstag gefragt, dann aber im Artikel nicht zitiert worden sei, beschwert sich Höns. „Unser Parteichef Frank Magnitz hat schon Recht, wenn er die Empfehlung ausspricht, kein Wort mit jemanden von der TAZ zu sprechen“, heißt es in der Mail weiter. „Wenigstens habe ich nichts gesagt, was nach Sudel-Edes Art verdreht werden konnte.“

Bemerkenswert ist indes eine Idee, die Höns am Ende seiner Mail formulierte. „Eigentlich hätte die TAZ auch mal eine Abmahnung verdient“, schreibt er. „In einer Zeitung, wo offensichtlich soviel Blödsinn steht, findet sich bestimmt etwas, woraus die AfD Honig saugen kann. Der Schatzmeister wird sich freuen.“

Auf Nachfrage der taz bestätigte Höns die Zeilen – obwohl alle Parteimitglieder vom AfD-Chef Magnitz die Anweisung bekommen hätten, nicht mit der taz zu sprechen. Nicht nur von der fühlt Höns sich falsch dargestellt. Unter anderem das Infoportal „AfD Watch Bremen“ hatte berichtet, dass in Bunkern, die Höns vermietet, NS-Propaganda ausgehängt sei. Ja, in einem der vermieteten Räume hänge ein Reichsadler, „aber nicht öffentlich“, sagte Höns nun der taz. Er habe die Figur auf dem Schutt gefunden. Aufgehängte Fotos eines Kettenkrads, einem Fahrzeug der Wehrmacht aus dem Zweiten Weltkrieg, hätte „nichts Verherrlichendes“, sondern seien „ein Stück Zeitgeschichte“. Seine Bunker vermiete er auch an „Schwarzafrikaner“, sowie an Menschen, die dort Korane lagerten. „Ich lebe mehr Vielfalt, als Sie sich vorstellen“, sagte Höns.

Und die Pressevielfalt? „Die taz nervt uns mit einseitigen Berichten.“ Eine Zeitung, die so schlecht über die AfD schreibe, stehe „unter Beobachtung“. Es seien schon einige Zeitungen verklagt worden. „Irgendwas wird man schon finden“, so Höns.

Die Aussage des AfD-Lokalpolitikers mögen flapsig sein. Der Vorschlag, Medien wegen nicht genehmer Berichterstattung auch mit aussichtslosen und absurden Klage zu überziehen, ist allerdings ein aktuelles, bundesweites Problem.

„Es gibt die Tendenz, dass über permanente Klagen Druck gemacht wird und JournalistInnen und Redaktionen eingeschüchtert werden sollen“, sagt der Rechtsextremismus-Experte und taz-Autor Andreas Speit.

Immer wieder komme es zu Behinderungen von JournalistInnen, zu Drohungen und Gewalttaten durch Rechte, bestätigt auch der Sprecher des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Hendrik Zörner. Dass gezielt auch mit Klagen die Berichterstattung beeinflusst oder verhindert werden soll, ist aus seiner Sicht allerdings „kein Massenphänomen“. Einschüchterungen durch Klagen würden weniger große Zeitungen mit guten Rechtsabteilungen treffen, als vielmehr freie JournalistInnen.

Bei Rechtsstreitigkeiten mit der taz haben Kassenwarte und Funktionäre der AfD nicht zwangsläufig etwas zu lachen.

Ein schöner Fall war die Auseinandersetzung um das Bild, das Björn Höcke (rechts) bei einer Kundgebung im Mai 2016 in Erfurt zeigt. Der Thüringer AfD-Chef wollte die Veröffentlichung des Bildes verbieten.

Damit scheiterte er in zwei Instanzen und musste schließlich die gesamten Verfahrenskosten tragen.

So berichtet es die freie taz-Autorin Andrea Röpke. Neben Drohungen und direkten Aggressionen kämen die juristischen Probleme hinzu. Fast jeden Monat habe sie damit zu tun: „haltlose, aufgeblasene Beschuldigungen. All das wird eingestellt, aber es soll Zeit rauben“, sagt sie. Die AfD könne dafür auf ein Netzwerk an eigenen JuristInnen zurückgreifen. „Das ist eine neue Form der subtilen Einschüchterung, vor allem gegen uns FachjournalistInnen“, so Röpke. „Viele KollegInnen haben große Probleme damit.“

Cornelia Berger, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen JournalistInnen-Union in Ver.di, bestätigt Röpkes Schilderungen. „Die AfD nutzt es strategisch aus, in Form von Klagen Angst zu verbreiten. Ich beobachte seit zwei, drei Jahren, dass dieses Phänomen zunimmt.“

Berger geht davon aus, dass dies planvoll geschehe. Ziel sei es, Unsicherheit und Irritationen zu erreichen und womöglich jemanden zu finden, der ökonomisch für die juristische Auseinandersetzung nicht die Kraft habe. „Ich halte das für einen strategischen Angriff auf die Pressefreiheit.“

Auch sie sieht vor allem freie JournalistInnen im Fokus und verweist wie der DJV-Sprecher Zörner auf den Rechtsschutz für Gewerkschaftsmitglieder.