Ringen der Profismit den Amateuren

Der Deutsche Fußball-Bund steht nach dem Abgang von Reinhard Grindel vor den größten Umbauarbeiten seiner Geschichte. Die Frage ist nur, ob die Altfunktionäre wirklich Erneuerung zulassen

Flattrige Angelegenheit: Helfer breiten nach einem Länderspiel in Leipzig die Plane mit dem Logo des Deutschen Fußball-Bundes auf dem Anstoßkreis aus Foto: dpa

Aus Frankfurt Frank Hellmann

Gleich hinter dem Haupteingang, den lichtdurchfluteten Gang entlang zum großen Sitzungssaal, vorbei an der Ahnengalerie der Präsidenten, beherbergt das Zentralgebäude des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) einen kleinen Besprechungsraum. Ohne Stühle und Tische, aber mit Sitzreihen wie in einem Fußballstadion. An der Wand ist ein riesiger Flachbildschirm eingelassen. Hier lässt sich die digitalisierte Fußballwelt am besten erklären, und nicht zufällig hat vergangene Woche Tobias Haupt die Örtlichkeit genutzt, um sich als neuer Leiter der DFB-Akademie vorzustellen.

Seine Thesen klangen allesamt einleuchtend. Die bald radikal reformierte Ausbildung der Fußballlehrer, die nötigen Ansätze bis runter in den Nachwuchsbereich, die zwingende Gleichbehandlung von Männer- und Frauenfußball. Der frühere Torhüter aus der Bayernliga hat seine Kindheit auf dem Bolzplatz verbracht. Sein Idol: Oliver Kahn. Haupt leitete bald das Internationale Fußballinstitut in Ismaning, studierte Sportmanagement und promovierte zum Thema „Social Media Marketing und Kapitalisierungsmöglichkeiten im Spitzensport“. Da war er gerade 29.

Dann kontaktierte ihn der Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff: Der schlaue Überflieger solle doch der neuen Akademie vorstehen, für die am 3. Mai endlich der Spatenstich erfolgt. „Wir haben ein Pfund in der Hand, um uns langfristig in der Weltspitze zu etablieren“, sagt er. Der 35-Jährige zweifelt nicht am enormen Potenzial, das der größte Sportverband der Welt mit seinen weit über 300 Millionen Euro Jahresumsatz besitzt.

Haupts Abteilung ist bereits mit allen Trainern, Scouts und Wissenschaftlern in Räumlichkeiten an der Goldsteinstraße nahe ans künftige Gelände gezogen. Mehr als 100 Angestellte arbeiten dort. Feste Schreibtische gibt es nicht, und Haupt ist auf diese flachen Hierarchien richtig stolz. Er scheint nicht nur wegen seiner 1,95 Meter Körpergröße für den neuen DFB eine herausragende Figur zu sein.

Aber kann es sein, dass in diesem Riesengebilde DFB immer noch zwei Parallelwelten unterwegs sind – und vielleicht zu wenig voneinander wissen? Auf der einen Seite dynamische, belastbare und unverbrauchte Antreiber wie Haupt. Auf der anderen ältere, eher träge und vor allem auf ihre Pfründen und Posten achtende Entscheider, die gerne in Hinterzimmern klüngeln, um dann das letzte Wort zu haben. Das betrifft das 17-köpfige DFB-Präsidium, noch mehr aber die Regional- und Landesverbände.

Reinhard Grindel, der in dieser Woche so grandios gescheiterte Präsident, stand auch hier zwischen den Stühlen. Er wollte ein aktiver Erneuerer sein, war aber nur ein altvorderer Besitzstandswahrer. Am Ende blieb der 57-Jährige eine konturlose Gestalt. Als die Unternehmensberatung McKinsey die Seilschaften in der Otto-Fleck-Schneise untersuchte – sogar Bundestrainer Joachim Löw erteilte Auskunft –, kam für den Verbandsbetrieb ein vernichtendes Ergebnis heraus: Die Aufgaben würden ineffektiv erledigt, Mitarbeiter seien gefrustet, weil sich Präsidiumsmitglieder in die Tagesarbeit einmischten. Gewaltige strukturelle Mängel wurden festgestellt.

Macher und Bremser

Generalsekretär Friedrich Curtius, ein ähnlicher Machertyp wie Haupt, machte sich an die Aufräumarbeiten. Der 43-Jährige gilt als der Kopf hinter der Strukturreform, die am 1. Januar 2018 griff. Aufteilung von sieben in nur noch vier Direktionen, wobei hinter dem Superdirektor Bierhoff die Amtsinhaber Heike Ullrich (Verbände, Vereine und Ligen) und Ralf Köttker (Öffentlichkeit und Fans) Mühe haben, ihren Bereichen ein markantes Profil zu verschaffen. Ulrich Bergmoser (Finanzen, Personal und Recht) hat den DFB schnell wieder verlassen. Und so gelungen kann die jüngste Reform nicht sein, wenn sogar Präsidiumsmitglieder angeblich keine Ahnung davon hatten, dass der Chef für ein Aufsichtsratsmandat einer DFB-Tochter kräftig kassiert hat, 78.000 Euro genau genommen.

Reinhard Grindel war ein Sonderling für die meisten Profis und Amateure im Verband

Grindel hat es nie geschafft, ein Integrationsfigur zu sein. Er war ein Sonderling für die meisten Profis und Amateure. Mit seiner aufbrausenden Art verspielte er nach innen das Vertrauen; mit den auseinanderdriftenden Interessen von Fifa und Uefa verlor er nach außen an Glaubwürdigkeit.

Jetzt ist es vor allem der Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL), Christian Seifert, der auf einen Umbau im DFB drängt, eine Neukonstruktion, die nach DFL-Vorbild eine hauptamtlich bezahlte Geschäftsführung vorsieht, die von einem Aufsichtsrat kontrolliert wird, dessen Frontmann der DFB-Boss sein müsste.

Eine Möglichkeit wäre, an die Spitze einer professionellen Geschäftsführung eine Führungskraft für den sportlichen Bereich zu installieren, die Christoph Metzelder, Matthias Sammer oder Rudi Völler heißen könnte. Den wirtschaftlichen Sektor könnte der Ex-Daimler-Chef Dieter Zetsche oder der ehemalige Innenminister Thomas de Maizière abdecken. Der DFB-Präsident wäre nur noch der Vorsteher des Kontrollgremiums und für die Basis da. Eine solche Konstruktion wäre vergleichbar mit jener beim FC Bayern München, dem erfolgreichsten deutschen Fußballverein, wo sich Karl-Heinz Rummenigge als Vorsitzender der Fußball AG und Uli Hoeneß als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender die Aufgaben teilen – wobei das Gespann noch besser funktionieren würde, wenn Hoeneß nicht immer im operativen Geschäft mitmischen würde. Auch der DFB ist gut beraten, keine Ämtervermischung mehr zu dulden.

Bevor wieder allein über die Besetzung des Postens debattiert wird, sollten zuvörderst die Inhalte geklärt werden. Was soll, muss und darf der künftige Präsident überhaupt? Dafür sind offene Debatten ohne Denkverbote nötig. Vielleicht kommt man ja auch noch auf die Idee, Führungskräfte wie den Frischling Haupt in den Gestaltungsprozess für einen echten Neuanfang einzubinden. Es gibt sie ja, Mitarbeiter beim DFB, die für die Zukunft als Sympathieträger taugen. Sie müssen nur aus dem Schatten treten. Ein Auftritt in einem Nebenraum der alten Verbandszentrale reicht da nicht.