„Wir müssen eben Prioritäten setzen “

In Bremen protestierten Schüler*innen gegen den Auftritt eines AfD-Abgeordneten. Zoe Block über Meinungsfreiheit, Freitagsdemos und die Frage, wie politisch Schule sein muss

Foto: Stefan Simon

Zoe Block, 17, ist Schülerin am Schulzentrum Walle in Bremen. Seit zwei Jahren engagiert sie sich im Arbeitskreis Schule ohne Rassismus. Nach ihrem Abitur will sie zur Grünen Jugend.

Ich war verwirrt, als ich hörte, dass der AfD-Bürgerschaftsabgeordnete Alexander Tassis für eine Podiumsdiskussion in unsere Schule kommt. Doch dann dachte ich mir: Warum denn nicht? Ich verstehe den Hass von meinen Mitschülern auf die AfD nicht. Die Partei wurde demokratisch gewählt, daher hat Tassis das Recht, in unsere Schule zu kommen. Wir müssen lernen, wie wir mit der AfD umgehen sollen. Wir müssen mit denen reden und dann sinnvolle Argumente finden. Ich fand es nicht schlimm, dass Tassis hier war.

Meine Mama meint immer, ja, es ist wichtig, dass du dich mit Politik auseinandersetzt, dass du dich darum kümmerst, dir ein bisschen was durchliest und dir selbst einen Blick verschaffst. Die Erwachsenen denken ja immer, dass nur wenige Jugendliche sich für Politik interessieren. An meiner Schule sehe ich schon, dass durch „Fridays for Future“(FFF) ein Ruck durch die Schülerschaft ging. Es tauchen auch immer mehr FFF-Aufkleber an den Wänden auf wie „March now or swim later“. Es wird auch viel mehr darüber geredet. Ich habe auch das Gefühl, dass mehr Mitschüler zu den Demos gehen. Auch viele meiner Freunde engagieren sich, gehen auf Demos und so.

Generell kann man sich mit vielen Jugendlichen gut über Politik unterhalten. Es ist oft so, wenn ich mit Erwachsenen rede, dann erlebe ich immer die gleiche Reaktion: Oh, du weiß ja so viel darüber. Woher kommt das denn? Als wäre das irgendwie ein Wunder, dass sich Jugendliche für Politik interessieren. Ich meine, wir reden wirklich viel darüber, ob in der Schule oder in unserer Freizeit. Derzeit stehen ganz oben auf unserer Liste die „Fridays for Future“-Demos, Artikel 13, also die EU-EU-Urheberrechtsreform, auch der Brexit. Und ja, natürlich die AfD.

Uns wird ja oft vorgeworfen, dass wir nur zu den FFF-Demos gehen, um zu schwänzen. Das finde ich ziemlich krass. Ich glaube nicht, dass Schüler, die gerade Abitur machen, einfach mal sagen: Och, wir schwänzen jetzt jeden Freitag die Schule, um frei zu haben. Na klar, ist es uns wichtig, dass wir einen guten Abschluss bekommen. Man darf aber auch nicht vergessen: Wenn die Naturkatastrophen auf der Welt zunehmen, die Anzahl der Klimaflüchtlinge steigt, dann gibt es weniger Arbeitsplätze. Und was ist dann mit der Schule und unseren Abschlüssen? Wir müssen eben Prioritäten setzen und viele setzen sie auf die FFF-Demos statt freitags in die Schule zu gehen. Ich selbst versuche jeden zweiten Freitag zur Demo zu gehen, aber ich muss auch irgendwie mein Abi schaffen.

Ich finde, die Schule darf politisch sein und Politik gehört auch in die Schule. Ich würde auch sagen, dass unsere Schule politisch ist und wir auf einem guten Weg sind. Unsere Lehrer dürfen ihre politische Meinung ja nicht äußern, weil sie uns nicht beeinflussen sollen. Darum finde ich es umso wichtiger, dass wir uns mit Politik auseinandersetzen, uns eine Meinung bilden und uns dazu äußern. Aber es sollte unter uns einen respektvollen Umgang und keine Beleidigungen geben, denn man sollte schon alle Meinungen akzeptieren. Wenn jemand zu mir sagt, er würde die AfD wählen wollen, dann würde ich mit ihm reden, mit ihm diskutieren und versuchen, zu verstehen, warum er so handelt. Und wenn jemand sagt, dass er AfD-Plakate abreißt, dann würde ich ihn auch fragen, warum? Aber die Leute fertig zu machen, halte ich für falsch.

Ich habe extrem oft das Gefühl, dass die Politik uns vernachlässigt. Bei Artikel 13 hatten ein paar Millionen eine Petition dagegen unterschrieben, aber darauf ging die Politik überhaupt nicht ein. Wir haben generell nicht die Möglichkeit, uns zu äußern. Wir haben nicht das Gefühl, dass die Politiker sich für uns interessieren. Daher ist es wichtig, dass Jugendliche viel mehr in den Landtag involviert werden. Damit wir eine Stimme haben. Es kann doch nicht sein, dass die Erwachsenen Dinge sagen wie: Das sind Kinder, die wissen doch sowieso nichts. Oder, wie Christian Lindner von der FDP, der sagte, man sollte das den Profis überlassen. Die „Scientists for Future“, die Wissenschaftler, die unser Anliegen unterstützen, haben gesagt, dass wir ja Recht haben mit den FFF-Demos und den Forderungen. Respektiert uns! Protokoll Stefan Simon