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Kampf der Glücksbringer

Seit 2013 dürfen sogenannte freie SchornsteinfegerInnen ihre Dienste anbieten. Viele KundInnen scheuen sich aber vor einem Wechsel weg von den Etablierten

Von Joachim Göres

Bundesweit gibt es rund 7.800 Kehrbezirke – und ebenso viele, jeweils für einen solchen Bezirk zuständige SchornsteinfegerInnenbetriebe. Bis vor einigen Jahren kam daher grundsätzlich die örtliche SchornsteinfegermeisterIn einmal im Jahr zur Kon­trol­le der Heizungsanlage vorbei.

Seit 2013 aber haben HausbesitzerInnen die Wahl: Sie können weiter die Dienste der jeweiligen SchornsteinfegerInnen aus ihrem Kehrbezirk in Anspruch nehmen, also die bevollmächtigten BezirksschornsteinfegerInnen, ernannt jeweils für sieben Jahre. Oder sie beauftragen mit solchen gesetzlich vorgeschriebenen Arbeiten die freie Konkurrenz. Frei sind diese FegerInnen, weil sie mangels eines eigenen Kehrbezirks ihre KundInnen in einem größeren Radius suchen.

Einer von ihnen ist Falk Glindemann. „Sie bestimmen, wer Ihnen aufs Dach steigt!“: So steht es auf dem Flyer, mit dem der freie Schornsteinfegermeister aus dem niedersächsischen Celle für sich wirbt. Er hat seine Kunden zwischen Hannover und dem Wendland, überprüft ihre Heizungen und führt dabei die vorgeschriebenen Emissionsmessungen durch. „Ich bin im Schnitt 30 Prozent günstiger“, sagt der 31-Jährige. „Ich vereinbare Termine nach Kundenwunsch und diktiere sie nicht. Trotzdem ist es schwer, neue Kundschaft zu finden. Viele wollen es sich nicht mit dem Bevollmächtigten verderben.“

Angst vor den Alteingesessenen

Dahinter stecke die Angst der VerbraucherInnen vor den Alteingesessenen: Auf die bleiben sie potenziell angewiesen, denn nur solche Bevollmächtigten dürfen laut Gesetz in ihrem Kehrbezirk auch neue Heizungsanlagen genehmigen. „Bei meinen Kunden hat ein Bevollmächtigter Sachen bemängelt, die an den Haaren herbeigezogen waren“, erzählt Glindemann – „und ich hatte so zusätzliche Arbeit. Andere Alteingesessene machen unsere Arbeit schlecht, weil sie uns Freie als wirtschaftliche Bedrohung ansehen.“

Der Bund der Energieverbraucher (BdE) dagegen begrüßt die Wahlmöglichkeit und veröffentlicht eine Liste mit ­Adressen von bundesweit 22 freien SchornsteinfegerInnen.Der Verbandsvorsitzende Aribert Peters kritisiert den Wettbewerbsvorteil für die Bevollmächtigten: „Die haben aus dem Kehrbuch die amtlichen Daten aller Heizungen und HausbesitzerInnen in ihrem Bezirk und können sie für das eigene Geschäft nutzen. Das ist aus Datenschutzgründen ein großes Problem.“

Peters fordert, dass die hoheitlichen Aufgaben – die Führung einer Liste aller Heizungen und die Prüfung, ob vorgeschriebene Kehrarbeiten von einer Fachkraft rechtzeitig durchgeführt wurden – von einer staatlichen Stelle durchgeführt werden, statt von den bevollmächtigten BezirksschornsteinfegerInnen. Zudem sollten Jobs wie die „Feuerstättenschau“ – innerhalb von sieben Jahren gehört die Heizungsanlage zwei Mal unter die Lupe genommen – sowie die Prüfung neuer Anlagen aus Sicht des BdE alle SchornsteinfegermeisterInnen erledigen dürfen. Bisher gehören diese Tätigkeiten zum Privileg des Bevollmächtigten.

Laut Alexis Gula, Sprecher des Bundesverbandes des Schornsteinfegerhandwerks, liegt der Marktanteil der freien FegerInnen bei etwa zwei Prozent. Er hält die Angst vor negativen Konsequenzen nach einem Wechsel für unbegründet: „Wer nicht zufrieden ist und zurückwechseln will, wird immer einen anderen Schornsteinfeger finden“, sagt Gula.

Hans Weinreuter wundert sich nicht, dass nur wenige Menschen sich selbst SchornsteinfegerInnen suchen. Bei einem Wechsel stünden „Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis“, sagt der Mitarbeiter der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Mit der jetzigen Situation ist er unzufrieden: „Seit 2013 dürfen die Bevollmächtigten auch die Rauchmelderüberprüfung oder die Gasschau anbieten, die nicht vorgeschrieben sind. Durch geschickte Kommunikation erwecken sie oft den Eindruck, dass man diese Tätigkeiten durchführen lassen muss – das ist nicht in Ordnung.“